Die Stunde des Adlers (Thriller)
oder außenpolitisch?«, fragte Innenstaatssekretär Dr. Müller nach.
»Schluss jetzt, Müller«, zischte Kuhn, »das bewerten wir intern. Morgen übernehmen Sie, von Hartenstein, und ich frage nach.«
»Was es für das Volk bedeuten würde, Frau Kuhn?«
»Wir wissen, was das Volk will. Sie wissen es auch, von Hartenstein.«
»Nein, Frau Kuhn«, der Bundesbanker erhob sich bereits, »ich weiß es nicht, aber vielleicht sollte man es mal erforschen.«
»Bis Morgen.« Kuhn sprang auf und mit ihr ihre Sekretäre. Gedanklich hatte von Hartenstein bei denen schon den Staatsdiener gestrichen. »Und könnte ich mein iPhone wiederhaben?«
Protokollant Hutter kam kaum hinter der forschen Kuhn her und hastete mit ihr aus dem Raum. Als er ihr das Gerät reichte, flüsterte sie ihm leise zu: »Kein Wort, Dominique. Sonst drehe ich dir den Hals um!« Ihre Rehaugen blitzten.
»Freundliche Begrüßung nach all den Jahren.«
»20 Uhr heute Abend zum Essen, okay? Dann reden wir. Ich erkläre dir alles.«
»Wo?«
»Suche etwas Schickes aus und warte auf mich an diesem Wachturm da draußen.« Mit Hutter hatte Kuhn nun gar nicht gerechnet, den musste sie unbemerkt ruhigstellen.
»Alles in Ordnung, Herr Hutter?«
»Ja, alles in bester Ordnung, Chef.«
»Machen Sie bitte das Sitzungsprotokoll.«
»Mache ich.«
Von Hartenstein schnappte sich sein iPhone aus der Hand seines Assistenten, checkte flugs seine Mails und die verpassten Anrufe. Gemeinsam mit den Abteilungsleitern und dem Assistenten ging der vielbeschäftigte Bundesbanker dann zurück in Richtung Hauptgebäude – ein kurzes Debriefing gab es während des Laufens.
»Das war klasse, vor allem die Damen heute. Aber die werden sich jetzt ordnen. Machen Sie sich keine Hoffnung, diese Kuhn ist durchtrieben.« Vor dem Hauptgebäude hielt von Hartenstein noch einmal an.
»Bis morgen früh, ich muss mich beeilen.« Von Hartenstein war zufrieden, dass er diese vier Beamten ausgewählt hatte. Die meisten kannte er seit Jahren, Klein am längsten. Der war damals sogar auch mit in Hachenburg, nur war für ihn auf der Abteilungsleiterebene Schluss gewesen. Sein Führungsstil war bei jeder Beurteilung als zu rüde eingestuft worden.
13.00 Uhr
Öde und langweilig zog sich das Interview hin, völlig überraschend. Von Hartenstein saß eine geschlagene Stunde neben Dohm in dessen Büro, spielte mit seinem iPhone, bis Dohm ihm einen verärgerten Blick zuwarf und er es hinlegte. Tracy Bellamie und Dohm diskutierten gerade, ob man das Rad der jüngeren Währungsgeschichte einmal zurückdrehen könnte oder müsste, um den Zusammenbruch des Euro noch zu verhindern.
So eine Plätscherfrage zum Ende, und dies von einer Engländerin, die den Euro noch nicht einmal als Heimatwährung hatte. Was sollte ein Notenbankchef denn auf diese Frage antworten? Von Hartenstein beobachtete Tracy genau, während sein Präsident die alte Platte auflegte. Manches Mal meinte er so etwas wie Kratzer auf Vinyl zu hören, wenn Dohm den einmal einstudierten Sprechgesang mit seiner sonoren Stimme aufführte: »Der Tag der Wende war der 6. Mai.«
»2012?« Tracy Bellamie galt eigentlich als ein harter Hund, als eine, die oft und gerne unterbrach. Heute war es jedoch fast so, als wenn sie das Interview gar nicht so recht interessierte. Ihr Ruf passte gar nicht zur zierlichen Figur, beobachtete von Hartenstein. Er kannte die junge Frau über seine Frau Veronica und hatte Dohm das Interview mit der Chefin der squaremile.com empfohlen, einer Online-Zeitung aus der Quadratmeile der City of London. Hin und wieder hatte Dohm ihn nun enttäuscht angeschaut.
»Nein, 2010. Wir mussten die faulen griechischen Staatsanleihen aufkaufen.« Auch wenn Dohm damals natürlich nicht im Rat der Europäischen Zentralbank dabei gewesen war, sprach er von »wir«, denn heute musste er als EZB-Ratsmitglied diese Entscheidung mitvertreten. »Die Europäische Zentralbank war damals die einzige wirklich funktionierende europäische Institution, Mrs. Bellamie. Man hätte die Zeit danach besser nutzen müssen, um zu sparen und zu wachsen, um ökonomische und politische Union zusammen voranzubringen. Dann hätte der Sonderfall der EZB im Nachhinein wieder korrigiert werden können.«
»Sünden können nur erlassen werden, Herr Präsident.«
»Ich sprach auch nicht von Sündenfall, sondern von Sonderfall.«
»Jedenfalls kam es zum Fall, Herr Dohm.«
»Genau auf den Tag zwei Jahre später, als 2012 Sarkozy in Frankreich abgewählt
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