Die Stunde des Adlers (Thriller)
wurde und die deutsch-französische Achse zumindest unrund wurde. Hinzu kamen diese unsäglichen griechischen Neuwahlen. Plötzlich ging es nur noch um Wachstum und damit nur noch um Gemeinschaftsschulden.«
»Man könnte also sagen, dass der ganze Motor nicht mehr rundlief, dass zu viel Geld eingespritzt werden musste – mit immer höheren Octan-Zahlen, also Zinsen, Herr Präsident, nachdem die ersten Formen der Eurobonds dann doch kamen.«
»Ja, und aus meiner Sicht, liebe Mrs. Bellamie, waren die auch unnötig, denn mit dem Auto war alles in Ordnung, um in Ihrem Bild zu bleiben. Griechenland war zu diesem Zeitpunkt finanztechnisch quasi eingezäunt, Spanien, Italien etc. in der Substanz noch okay, der große Rettungsschirm stand, der IWF hatte sein frisches Kapital für die Brandmauern, die Verpflichtungen vor allem auch in Deutschland waren risikotechnisch überschaubar, die Inflation hielt sich in Grenzen, die Länder sparten leidlich gut, der Fiskalpakt war auf dem Weg, und selbst der Weg in Richtung einer politischen Europäischen Union war vorgezeichnet. Hollande änderte die Richtung, und das war unnötig.« Eine Hand hatte Dohm beim Aufzählen gar nicht gereicht, er hatte ein zweites Mal mit den Fingern mitzählen müssen. »Es war unklar, wer am Steuer saß. Merkel und Sarkozy hatten gemeinsam gesteuert, mit Hollande war das nicht mehr so klar, alle anderen saßen hinten, und es war ein europäischer Autobus, mit Fahrertausch und ohne die Briten, Mrs. Bellamie.«
»Wir sind eben eine Insel.« Tracy lächelte. »Wir kennen uns besser mit Schiffen als mit deutschen Premium-Fahrzeugen aus.«
»Wollen wir nun zum Essen gehen?« Dohm erhob sich, ohne wirklich die Antwort abzuwarten.
»Gute Idee.« Tracy packte ihre Unterlagen zusammen, und Hanns-Hermann von Hartenstein war froh, dass dieser Teil vorüber war. Auf dem Weg in den Speisesaal dachte er bei sich, was Tracy wohl sagen oder schreiben würde, wenn sie wüsste, woran er jetzt arbeiten musste. Welchen Auftrag ihm Claus Victor Dohm gestern Morgen an ebendemselben Tisch gegeben hatte, an dem heute das Interview stattgefunden hatte. Aber es sollte ja alles seinen gewohnten Gang gehen in der Bundesbank. Eigentlich war er enttäuscht von dem Interview. Einfache Fragen, nicht richtig spannende Fragen zur aktuellen Lage. Momentan war das für ihn absolut vertane Zeit. Und er brauchte Zeit, damit ihm etwas Knackiges einfiel, wie er die Markigen aufhalten konnte.
Doch schon beim Aperitif an der Bar wurde von Hartenstein klar, warum Tracy Bellamie so ein lasches Interview geführt hatte. Sie hatte sich den interessanten Teil für den Off-the-recor d -Part beim Essen aufgespart, wenn nicht mehr über das geschrieben werden durfte, was besprochen wurde.
»Man sagt, alle Bundesbanker seien im Herzen reaktionär und warteten nur auf die D-Mark. Was meinen Sie, Herr Präsident, wie viele Ihrer Beamten und Mitarbeiter die DMP gewählt haben?« Tracy lugte über ihren Tomatensaft mit einem ganz leichten Augenzwinkern in Richtung von Hartenstein. Dohm schwieg eine Weile, schaute aus dem Fenster in Richtung Bankenskyline von Frankfurt.
»Mrs. Bellamie, wir kennen uns bislang nicht gut. Glauben Sie, ich antworte auf so eine Frage, auch off the record ?«
»Warum nicht, Triple H legt sicher seine Hand für mich ins Feuer. Und wir müssen wissen, wie es in Deutschland nach dieser Wahl weitergeht.«
Von Hartenstein musste gerade daran denken, dass er nach dem Wochenende wahrscheinlich noch nicht einmal so ohne Weiteres seine Hand für die italienische Familie seiner Frau ins Feuer legen würde. »Dann lassen wir ihn doch antworten. Sein Wort ist so gut wie meines, Mrs. Bellamie.« Dohm hob seinen Tomatensaft, der etwas mit Wodka gespritzt war, in Richtung seines Freundes und blieb am großen Fenster mit Blick auf »Mainhatten« stehen.
»Der Ausspruch stammt von Helmut Schmidt, wenn ich mich richtig erinnere, Tracy. Ich weiß auch nicht, ob er damit recht hat, dass Notenbanker – er sprach nicht nur von Bundesbankern – reaktionär sind. Wir sind zweifelsohne wertorientiert, genauer geldwertorientiert. Das ist nicht reaktionär, vielleicht ist es konservativ.«
»Wollen wir uns nicht setzen?« Dohm bat zu Tisch.
»Und was ist mit der Wahl? Das ist doch ein Desaster für Europa?«
»Ihr Engländer braucht jedenfalls keine Sterling-Partei, weil ihr beim Euro nicht mitgemacht habt. Das machen Tories und Labour allein.«
»Ihr macht es euch zu einfach, Triple
Weitere Kostenlose Bücher