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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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Italienerinnen zu genießen, aber nicht zu heiraten bereit waren.
    Alte Zeiten … alte Gespenster. Doch die Gespenster waren noch nicht gebannt, und die alte Liebe saß ihm zur Seite, windzerzaust und wunderschön, auf der Fahrt zum Grat der Halbinsel von Sorrent.
    »Hast du mich damals gehasst, Richard?«
    »Dich gehasst? Nein. Ich glaube, ich bin immer noch ein bißchen in dich verliebt.«
    »Nett, das zu hören.«
    Nett zu hören. Leicht zu sagen. Aber auch gefährlich. Du magst sie wohl lieben, du darfst dich ihr aber nicht ergeben. Jetzt nicht, und niemals wieder. Sie ist der Schlüssel zu großen Geheimnissen. Du mußt dich ihrer gegen Orgagna bedienen, wie Orgagna sich ihrer gegen dich bedienen würde.
    Plötzlich schämte er sich.
    Ein kleiner Eselskarren kam um die Spitzkehre geholpert, und Ashley riß den großen Wagen zur Seite, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
    Rossana schrie leise und klammerte sich an ihn. Die Nähe ihres Körpers und der Duft ihres Haares wurden ihm schmerzlich bewußt. Dann hatten sie die Kurve hinter sich und sahen auf dem Gipfel die Ruine einer Kapelle inmitten alter Olivenbäume.
    »Lass uns hier bleiben, Richard.«
    »Wo immer du willst.«
    »Die Einheimischen nennen diesen Platz die ›Zuflucht‹. Sehr passend, meinst du nicht auch?«
    »Sehr.«
    Er fuhr von der Straße herunter und über einen löcherigen, ausgefahrenen Feldweg zu der alten Kapelle. Sie hielten. Er half Rossana aus dem Wagen, und sie standen nebeneinander auf dem hohen Grat des Berges und lauschten dem schrillen Chor der Zikaden und dem verlorenen Zwitschern eines Vogels. Es war atemberaubend schön. Auf der einen Seite breitete sich die Bucht von Neapel, mit den weißen Städten und den Orangenhainen, die sich vom Rand der Klippe den Hügel hinauf bis zum Wald erstreckten. Auf der anderen Seite sahen sie die Bucht von Salerno, wo die Hügel steiler und die Städte seltener waren und wo die blühenden Bäume aus den Gräbern toter Helden wuchsen.
    »Richard?«
    »Ja?«
    »Ich – ich bin froh, daß du noch ein bißchen verliebt in mich bist.«
    »Warum?«
    »Ich – ich brauche Liebe so sehr.«
    In alten Zeiten hätte er sie in die Arme genommen und ihren Mund mit seinen Küssen geschlossen. Doch war er jetzt klüger und mehr auf seiner Hut. Er legte den Arm locker um ihre Schultern und grinste ein bißchen schief.
    »Ich hab' sie dir schon einmal angeboten«, sagte er.
    »Damals war sie mir weniger wichtig.«
    »Weniger als was?« Seine Stimme war rauh, und er fühlte, wie ihre Haltung sich versteifte. »Weniger als eine feine Heirat?«
    »Weniger als die Sicherheit, etwas zu essen zu haben, falls der große Reporter einmal seiner kleinen römischen Geliebten müde werden sollte.«
    Ihre Offenheit drängte ihn in die Defensive. Der Boden, den er zu gewinnen gehofft hatte, war wieder verloren. Sie zog sich von ihm zurück und sah ihn an.
    »Du hast mir nie gesagt, daß du mich heiraten willst«, sagte er leise, fast demütig.
    »Hätte das etwas ausgemacht?«
    »Später hat es etwas ausgemacht.«
    Sie zuckte die Schultern und starrte über das blaue Wasser in die Ferne.
    »Später ist immer zu spät. Auch für mich war es zu spät.«
    Jetzt war er ihrer nicht mehr sicher. Das war keine sorgsam zum Schutz ihres Mannes geplante Verführungsszene. Sie war weit weg von ihm – verletzt und kalt. Er bückte sich, pflückte einen Grashalm und begann ihn mit ruhelosen Fingern in kleine Stücke zu reißen.
    »Ich habe gehofft, du würdest glücklich werden.«
    »Ich hab' nicht weniger bekommen, als ich erwarten konnte.«
    »Was hast du bekommen?«
    Sie musterte ihn mit trotzigen Augen.
    »Alles«, antwortete sie spöttisch, »alles, was ein italienischer Edelmann seiner Frau bieten kann. Ausgenommen Liebe und Treue.«
    »Da ist dir eine ganze Menge entgangen.«
    »Nicht mehr als den meisten, die sich auf den gleichen Handel einlassen. Männer wie Vittorio haben einen besonderen Gerechtigkeitssinn. Sie verlangen Vergnügen und Kokotten, Leidenschaftlichkeit von ihren Geliebten und Diskretion von ihren Ehefrauen. Und sie sind durchaus bereit, für diese drei Dinge zu bezahlen.«
    »Versuchen sie nie, diese Talente in einer Frau zu vereinen?«
    Er grinste traurig. »Das wäre bedeutend billiger.«
    »Mein Mann behauptet, die amerikanische Scheidungs-Statistik beweise die Unmöglichkeit.«
    »Ein bemerkenswerter Mensch.«
    »Sehr.«
    Ashley warf den Rest des Grashalms fort, ging zu ihr und küßte sie. Dann nahm

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