Die Stunde des Jägers - EXOCET
Mann in einem dunklen Mantel. Ferguson trug einen Mantel, wie ihn die Gardeoffiziere bevorzugen, und hatte einen säuberlich zusammengerollten Schirm in der Hand.
»Das ist Brigadier Ferguson«, sagte Devlin hastig zu der jungen Beamtin.
»Ah, da sind Sie also«, sagte der Brigadier. »Ist das Ihre Fahrerin?«
»Polizistin Calder, Sir.« Sie salutierte zackig.
»Dies ist Superintendent Foster von Scotland Yards AntiTerror-Einheit«, erklärte Ferguson. »Ich bin die Sicherheitsvorkehrungen mit ihm durchgegangen. Kommt mir alles recht wasserdicht vor.«
»Selbst wenn Ihr Mann bis Canterbury durchkommt, ist es ausgeschlossen, daß er in die Kathedrale eindringen kann«, sagte Foster schlicht. »Dafür lege ich die Hand ins Feuer.«
»Hoffen wir, daß es nicht soweit kommt«, versetzte Devlin.
Ferguson zupfte ungeduldig an Fosters Ärmel. »Los, gehen wir hinein, ehe es dunkel wird. Devlin, ich verbringe die Nacht hier und rufe Sie später in Ihrem Hotel an.«
Die beiden Männer schritten auf das mächtige Portal zu, ein Polizist öffnete die Tür, und sie traten ein. »Glauben Sie, daß dieser Beamte die beiden kennt?« fragte Devlin Susan Calder leise.
»Himmel, wie soll ich das wissen? Sie haben es wirklich fertiggebracht, Zweifel in mir zu wecken, Sir.« Sie öffnete ihm den Wagenschlag. Er stieg ein, sie setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an. »Nur eine Frage noch.«
»Die wäre?«
»Selbst wenn er eindringt und etwas anstellt, kommt er doch nie wieder heraus.«
»Da ist doch der springende Punkt«, sagte Devlin. »Was
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nachher aus ihm wird, ist ihm gleichgültig.«
»Dann gnade uns Gott.«
»Selbst auf den würde ich mich nicht verlassen. Wir können jetzt nichts Sinnvolles mehr tun. Die Kontrolle über das Spiel ist uns entglitten, es kontrolliert uns. Bringen Sie mich also gemächlich zu diesem Hotel, und ich lade Sie zum besten Abendessen ein, das das Haus zu bieten hat. Habe ich Ihnen übrigens schon gestanden, daß ich ein schreckliches Faible für Frauen in Uniform habe?«
Sie fädelte sich in den Verkehrsstrom ein und begann zu lachen.
Der Wohnwagen war lang, geräumig und erstklassig eingerichtet. Der Schlafraum war abgetrennt und hatte zwei Kojen. Als Cussane die Tür öffnete und hineinschaute, schien Morag zu schlafen.
Er wollte die Tür wieder schließen, aber sie rief: »Harry?«
»Ja.«
Er setzte sich auf die Kante der Koje. Inzwischen hatte er beträchtliche Schmerzen. Selbst das Atmen tat nun weh. Sein Zustand war ernst, das wußte er. Sie streckte die Hand aus, strich ihm über die Wange, und er wich ein wenig zurück.
»Weißt du noch, wie ich dich am ersten Tag in Opas Wagen fragte, ob du Angst hättest, ich könnte dich in Versuchung führen?« sagte sie.
»Genau hast du gesagt«, gab er zurück, »fürchten Sie, ich könne Sie in Versuchung führen, Pater?«
Sie wurde sehr still. »Du bist also wirklich Geistlicher? Ein echter Priester? Ich glaube, das habe ich schon immer gewußt.«
»Schlaf weiter«, meinte er.
Sie griff nach seiner Hand. »Du gehst doch nicht fort, ohne mir Bescheid zu sagen?«
In ihrer Stimme schwang echte Angst mit. »Na hör mal,
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meinst du, ich könnte dir das antun?« Er erhob sich und machte die Tür auf. »Komm, schlaf jetzt. Wir sehen uns morgen früh.«
Er steckte sich eine Zigarette an, verließ den Wohnwagen. Der Rummelplatz von Maidstone war verhältnismäßig klein – eine Anzahl von Schaubuden, verschiedene Stände, BingoBuden, mehrere Karussells. Trotz der späten Stunde herrschte noch viel Betrieb, Musik dröhnte munter und lautstark durch die Nachtluft. Am einen Ende des Wohnwagens stand der Landrover, der ihn schleppte, am anderen das rote Zelt mit dem beleuchteten Schild Gipsy Rose. Als er hinausschaute, kam ein lachendes junges Pärchen heraus. Cussane zögerte, ging dann hinein.
Brana Smith war mindestens siebzig und trug ein grelles Kopftuch, mit dem sie sich das Haar straff aus dem Gesicht, dessen Haut wie braunes Pergament war, zurückgebunden hatte. Um die Schulter hatte sie einen Schal, um den Hals eine Kette mit Goldmünzen. Auf ihrem Tisch stand eine Kristallkugel.
»Sie sehen aber wirklich sehr überzeugend aus«, sagte er. »Das ist der Zweck der Übung. Das Publikum erwartet, daß eine Wahrsagerin wie eine Zigeunerin aussieht. Hängen Sie das ›Geschlossen‹-Schild raus und geben Sie mir eine Zigarette.« Er tat
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