Die Stunde des Jägers - EXOCET
so laut schwatzen, wie es ihnen beliebt, aber im Land der Raschids…« Salim zuckte die Achseln und holte ein flaches Blechetui hervor. »Genug davon. Lust auf eine Zigarette, mein Freund?«
Der Araber knickte geschickt das Pappröhrchen am Ende der Zigarette ein, steckte sie Villiers in den Mund und gab ihm Feuer.
»Russe?« merkte Villiers an.
»Fünfzig Meilen von hier liegt bei Fasari in der Wüste ein Luftwaffenstützpunkt. Viele russische Flugzeuge, Laster, Soldaten – alles!«
»Ich weiß«, gab Villiers zurück.
»Das weißt du, aber dein berühmter SAS unternimmt trotzdem nichts.«
»Mein Land steht nicht im Krieg mit dem Jemen«, sagte Vil
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liers. »Man hat mich nur von der britischen Armee ausgeliehen, um die Truppen des Sultans von Oman im Kampf gegen die marxistischen Guerillas der D.L.F. zu führen und auszubilden.«
»Wir sind keine Marxisten, Villiers Sahib. Wir Raschids gehen, wohin es uns beliebt, und ein Major des britischen SAS ist ein guter Fang. Viele Kamele, viele Gewehre wert.«
»Von wem?« fragte Villiers.
Salim wies mit der Zigarette auf ihn. »Ich habe eine Nachricht nach Fasari gesandt. Die Russen kommen irgendwann heute. Sie werden eine Menge für dich bezahlen. Mit meinem Preis sind sie einverstanden.«
»Was immer sie anbieten, meine Leute zahlen mehr«, versicherte Villiers. »Wenn ihr mich unversehrt in Dhofar abliefert, bekommt ihr, was ihr wollt. Englische Sovereigns aus Gold, silberne Theresientaler.«
»Aber bitte, Villiers Sahib, ich habe mein Wort gegeben.« Salim lächelte spöttisch.
»Ich weiß«, entgegnete Villiers. »Brauchst du mir nicht zu sagen. Den Raschids ist ihr Wort heilig.«
»Genau!«
Salim erhob sich, als das Kamel herankam. Es ging in die Knie, und Hamid, ein junger Raschid-Krieger in ockerfarbenem Gewand, trat vor. Er zerrte am Tau, und der Mann am anderen Ende fiel auf alle viere.
»Was haben wir denn da?« herrschte Salim.
»Wir griffen ihn auf, als er mitten in der Nacht durch die Wüste marschierte.« Hamid ging zurück zum Kamel und holte eine Feldflasche und einen Tornister. »Das hatte er bei sich.«
Der Tornister enthielt Brot und rechteckige Feldrationen. Die Etiketten waren russisch.
Salim hielt Villiers eine hin und fragte dann den Mann auf arabisch: »Sie sind Russe?«
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Der Mann war alt und weißhaarig, offensichtlich erschöpft, sein Khakihemd schweißgetränkt. Er schüttelte den Kopf. Seine Lippen waren auf die doppelte Größe aufgeschwollen. Salim hielt ihm die wassergefüllte Kelle hin. Der Mann trank.
Villiers sprach annehmbar Russisch. »Er will wissen, wer Sie sind. Kommen Sie aus Fasari?«
»Und wer sind Sie?« krächzte der Alte.
»Ein britischer Offizier, der für die Streitkräfte des Sultans in Dhofar arbeitete. Diese Leute hier überfielen meine Patrouille aus dem Hinterhalt, töteten meine Männer und nahmen mich gefangen.«
»Spricht er Englisch?«
»Nur drei Worte. Sie können wahrscheinlich kein Arabisch?«
»Nein, aber mein Englisch ist wahrscheinlich besser als Ihr Russisch. Mein Name ist Viktor Lewin. Ich komme aus Fasari und wollte mich nach Dhofar durchschlagen.«
»Um überzulaufen?« fragte Villiers.
»So ungefähr.«
»Aha, er spricht also Englisch mit dir«, mischte sich Salim auf arabisch ein. »Er ist also kein Russe.«
Zu Lewin gewandt, sagte Villiers leise: »Sinnlos, ihm etwas über Sie vorzumachen. Heute kommen Ihre Leute, um mich abzuholen.« Dann schaute er Salim an. »Ja, er ist Russe, von Fasari.«
»Und was hatte er im Land der Raschids verloren?«
»Er wollte nach Dhofar.«
Salim starrte ihn mit schmalen Augen an. »Um vor seinen eigenen Leuten wegzulaufen?« Er lachte laut auf und schlug sich auf den Schenkel. »Vorzüglich! Die Russen werden wohl gut für ihn zahlen. Ein Bonus, mein Freund. Allah meint es gut mit mir.« Er nickte Hamid zu. »Bring sie rein und sieh zu, daß sie etwas zu essen bekommen. Dann kommst du zu mir.« Damit
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entfernte er sich.
Lewin wurde in ein Holzhalfter gelegt, ähnlich wie das von Villiers. Sie saßen nebeneinander an der Zellenwand. Nach einer Weile kam eine schwarz verschleierte Frau herein, ging in die Hocke und fütterte sie abwechselnd aus einer großen Holzschüssel, die einen Eintopf mit Ziegenfleisch enthielt. Es war unmöglich zu beurteilen, ob sie jung oder alt war. Sie wischte ihnen sorgfältig die Münder ab, ging und machte die
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