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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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zu unterbrechen, um ihn anzunehmen. Auf ihrem Handy, das die Kriminaltechnik gestern weder in ihrer Wohnung noch am Tatort hatte finden können.
    Â»Haben Sie gehört, was sie gesagt hat?«, erkundigte sich Mannfeld.
    Â»Leider nein.«
    Â»Und was passierte dann?«
    Â»Als das Gespräch beendet war, hat sie gezittert.«
    Â»Gezittert?«
    Â»Ja, erst gezittert und dann ein klein wenig gelächelt. Ich bin mir sicher, dass das Telefonat sie ziemlich aufgewühlt hat. Das Training hat sie dann auch sofort abgebrochen. Und bevor sie in die Kabine rauschte, fragte sie mich noch, wo die nächste Apotheke ist.«
    * * *
    Fremden war erstaunt, wie klein und beengt ihm sein Ostender Ein-Zimmer-Apartment auf einmal vorkam. Gleich neben dem Eingang schmiegte sich die mickrige Küchenzeile in die Mauernische. Von dort aus waren es nicht mehr als zehn Schritte bis zu seiner Schlafstätte. Eine auf dem Boden liegende Federkernmatratze, auf der sich Bettzeug türmte, das dringend frisch bezogen gehörte. Die Wände waren mit einem wuchtigen Kleiderschrank und einem etwas luftigeren Bücherregal zugestellt. In Letzterem lagerten seine gesamten kulturellen Schätze: fünf Taschenbücher – darunter Salingers »Der Fänger im Roggen« und Keseys »Einer flog übers Kuckucksnest« – und seine CD -Sammlung, die in der Hauptsache aus Werken der Grunge-Ära bestand.
    Wahllos stopfte er einige Kleidungsstücke in den Rucksack. Bei den Filzpantoffeln mit dem Rautenmuster, die er vor Wochen in einem Anflug von Geschmacksverirrung erstanden hatte, zögerte er. Doch dann packte er auch sie ein, bevor er sich wieder auf den Weg machte.
    Nur noch der alte Ortskern im Süden erinnerte daran, dass Fechenheim früher ein beschauliches Fischerdorf im Mainbogen gewesen war. Heute prägten Industrieanlagen und Gewerbegebiete das Straßenbild der mittlerweile zu Frankfurt gehörenden Gemeinde.
    Fremden parkte den Peugeot vor einer Dachdeckerfirma an der nördlichen Peripherie des Stadtteils. Er hörte das Bellen bereits, als er sich der Hundeschule die letzten hundert Meter zu Fuß näherte. Dank Google hatte Liliana Bode am Laptop ihres Mitbewohners schnell herausgefunden, dass nur eine Hundeschule in Fechenheim existierte. Als sie dann den Namen des Inhabers gelesen hatte, hatte es bei ihr klick gemacht.
    Eine ganze Weile lang beobachtete Fremden vom Zaun aus das Treiben auf dem Gelände. In dicke Jacken und Anoraks gehüllte Hundehalter liefen mit ihren kleinen Cäsaren, Bennys und Charlies bei Fuß im Kreis. Der Mann, der vom Zentrum des Parcours aus Kommandos gab, hieß Gregor Bronski und war eindeutig der Jäger mit der hageren Statur auf dem Foto seines Onkels.
    Mit leicht zusammengekniffenen Augen spähte Fremden durch den Maschendrahtzaun, bevor er sich in Bewegung setzte. Was sollte er Bronski antworten, falls der sich erkundigte, weshalb er sich für den so lange zurückliegenden Jagdausflug interessierte? Die Wahrheit? Dass er argwöhnte, zwischen Bruckners tödlichem Sturz in den See und der Reise nach Südeuropa könne ein Zusammenhang bestehen? Die Karten so offen auf den Tisch zu legen war nicht ungefährlich. Schließlich konnte Bronski der Täter sein. Wenn es denn einen gab.
    Â»Jonas Fremden? Natürlich sagt mir der Name was.« Bronski lächelte freundlich. »Sie haben also die Detektei Ihres Onkels übernommen. Ich erinnere mich gut an ihn. Jonas war ein feiner Kerl und ein verdammt guter Schütze. Der Bursche hatte das, was man bei uns das Herz eines Jägers nennt. Aber um das zu hören, sind Sie bestimmt nicht gekommen.«
    Â»Sie haben recht«, stimmte Fremden zu. »Ich bin hier, weil ich von Klaus Bruckner den Auftrag habe, den Tod seines Vaters zu untersuchen.«
    Â»Nach so langer Zeit? Warum denn das?«
    Â»Weil er vor Kurzem einen Hinweis erhalten hat, dass der Sturz seines Vaters in den See vielleicht kein Unfall war.«
    Â»Das würde die ganze Tragödie ja umso schrecklicher machen«, sagte Bronski und legte betroffen seine Stirn in Falten.
    Â»Erinnern Sie sich an einen oder mehrere Jagdausflüge mit dem Verstorbenen nach Moldawien?«
    Bronskis Miene hellte sich wieder auf. »Einen. Selbstverständlich. Wie könnte ich den jemals vergessen? Noch heute sehe ich alles deutlich vor mir. Den Flug. Die Übernahme des Mietwagens. Die Fahrt übers

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