Die Stunde des Löwen
Begleiter.«
»Ging es zur Jagd?«
»Keine Ahnung, was die Herren auf den Touren getrieben haben. Und ich glaube, das will ich auch gar nicht so genau wissen.«
»Können Sie sich erinnern, welche Ziele die Reisen hatten?«
»Natürlich. Zweimal habe ich Flüge nach Kiew gebucht. Doch meistens ging es nach ChiÅinÄu in Moldawien. Hotelzimmer und Mietwagen musste ich auch besorgen.«
»Und die Namen der Mitreisenden? Haben Sie die auch noch parat?« Die Frage war heikel. Doch wenn er herausbekommen wollte, wer die Jäger waren, musste er das Risiko eingehen, dass Liliana Bode sich über seine Namensgleichheit mit einem der Reisenden wunderte.
»Die Namen bekomme ich leider nicht mehr zusammen. Einer hieÃ, glaube ich, wie eine Pflanze. Baum, Blume, Busch oder so ähnlich. Und ein anderer hatte einen noch ganz jungen Rhodesian Ridgeback.«
»Einen was?«
»Das ist ein Hund mit braunem Fell und gegenläufigem Aalstrich«, antwortete Liliana Bode. »Er brachte ihn manchmal mit, wenn er zu uns ins Bestattungsunternehmen kam, um den Chef zu besuchen. Einmal hat der Hund in den Gang gepinkelt. Ich fand das lustig, weil es sich bei dem Herrchen ausgerechnet um den Besitzer einer Hundeschule in Fechenheim handelte.«
*Â *Â *
Beim Betreten des Fitnessstudios fiel Born als Erstes die Reihe von Plasmabildschirmen auf, die an der Wand gegenüber den Steppern und Laufbändern montiert waren. Auf stumm gestellt, liefen auf der einen Hälfte Musikvideos und auf der anderen n-tv. Ein Nachrichtensprecher gestikulierte vor der Kulisse einer Afghanistankarte, während am unteren Bildrand der Ticker mit den Börsenkursen durchzog.
Im Slalom steuerte er mit Mannfeld durch den Gerätewald auf die Bar zu. Am Tresen hockten zwei in Crew-T-Shirts gekleidete Muskelpakete. Breiiges Zeug schlürfend, das wie flüssiger Gips an der Glasinnenseite pappen blieb, diskutierten sie Trainingspläne.
»Ist einer von Ihnen Kai Ohlmann?« Born hatte im Internet recherchiert, dass ein Mann dieses Namens für die Betreuung der Senioren zuständig war.
»Ja, ich«, antwortete der Jüngere und erhob sich von dem Barhocker. »Freut mich, dass ihr da seid. Ihr könnt gern Kai zu mir sagen. Normalerweise duzen wir uns hier. Gleich am Eingang sind die Umkleiden. Wenn ihr fertig seid, können wir mit dem Probetraining beginnen.«
Born holte seinen Dienstausweis aus der Manteltasche und hielt ihn Ohlmann unter die Nase.
»Sie sind von der Polizei?«
»So stehtâs zumindest auf dem Ausweis.«
»Suchen Sie jetzt bei uns nach Anabolika oder verbotenen Substanzen?«
Ohne zu wissen, ob die Frage ernst gemeint war, fixierte Born das gipsartige Gebräu in den Gläsern und schüttelte den Kopf.
»Wir sind wegen eines Ihrer Mitglieder hier. Sagt Ihnen der Name Selma Tassen etwas?«
»Natürlich. Selma ist montags bei mir in der Seniorengruppe.«
»Leiten Sie den Kurs persönlich?«
Kai Ohlmann nickte.
»Können Sie uns ein bisschen was über Frau Tassen erzählen?«
»Was denn?«
»Am besten alles, was Ihnen zu der Dame einfällt«, antwortete Born, der zu seinem Ãrger aus den Augenwinkeln aufschnappte, dass Trainer Nummer zwei unverhohlen Mannfelds Hintern musterte.
»Selma ist verdammt ehrgeizig. Nie gibt sie auf, auch wennâs ans Limit geht. Manch Jüngerer könnte sich eine Scheibe von ihr abschneiden. Weshalb fragen Sie?«
»Weil Frau Tassen ermordet wurde.«
Einen Moment lang starrte Ohlmann sie mit weit aufgerissenen Augen an, dann stieà er plötzlich ein hysterisches Lachen aus.
»Ich weià nicht, was daran so komisch ist.«
Schlagartig wurde Ohlmann rot im Gesicht.
»Ist Ihnen am Montag etwas Besonderes an Selma Tassen aufgefallen?«, fragte Mannfeld.
»Ja, da gibtâs tatsächlich etwas«, antwortete Ohlmann, der sich wieder ein wenig gefangen hatte. »Während des Kurses hat Selma einen Anruf erhalten. Auf ihrem Handy. Dass die Leute ihre Handys und iPhones mit ins Training nehmen, sehen wir normalerweise nicht so gern. Aber Selma hatte mich gebeten, an diesem Tag eine Ausnahme zu machen.«
Auf Borns innerer Leinwand baute sich das Bild des mit verdrehtem Kopf am Tisch sitzenden Mordopfers auf. Anscheinend hatte Selma Tassen an ihrem Schicksalstag einen so wichtigen Anruf erwartet, dass sie bereit gewesen war, das Training
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