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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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erst durch die Obduktion festgestellt. Um besser einschätzen zu können, was passiert ist, würden wir Ihnen gern noch ein paar Fragen stellen.«
    Rosen ließ sich auf einem der an der Wand aufgestellten Plastikstühle nieder und nickte.
    Â»Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrer Frau gesprochen?«
    Â»Gestern, am frühen Abend. Ein, zwei Stunden vor dem Abflug.«
    Â»Hat sie da verlauten lassen, wie sie den Abend verbringen wollte?«
    Â»Martha wollte lesen und früh zu Bett gehen. Sie konnte sich stundenlang in ihre parapsychologischen Bücher vertiefen.«
    Â»Parapsychologische Bücher?«, hakte Mannfeld nach.
    Â»Ja, dieser Hokuspokus mit Geistern und Erscheinungen. Das ist so eine Art Hobby von ihr. Martha nennt es Religion. Und wenn Martha sich einmal in etwas verrennt, dann verfolgt sie das mit ganzer Energie. So war es auch mit all ihren anderen Hobbys vorher.«
    Â»Und was halten Sie von ihrem Hang zum Okkulten?«
    Â»Nichts. Blanker Unsinn, dass Lebende mit Toten in Kontakt treten können.«
    Â»Wenn ich Sie richtig verstehe, hat Ihre Frau nicht erwähnt, dass sie gestern Abend noch einmal das Haus verlassen wollte.«
    Â»Mit keiner Silbe.«
    Â»Und dass sie einen Anruf erwartete?«
    Â»Wer hätte Martha denn anrufen sollen?«
    Â»Fällt Ihnen da niemand ein?«
    Â»Höchstens ihre Nichte Ruth. Mit der telefoniert sie regelmäßig.«
    Â»Welche sozialen Kontakte pflegte Ihre Frau sonst noch?«
    Â»Was meinen Sie mit sozialen Kontakten?«
    Â»Na, Freunde und Bekannte zum Beispiel.«
    Â»Da kenne ich keine.«
    Â»Sie kennen die Freunde Ihrer Frau nicht?«
    Rosen zuckte mit den Schultern. »Meistens gehen wir mit Geschäftsfreunden aus. Martha hat da so ein paar Leute aus ihrem spiritistischen Bekanntenkreis. Da gibt es eine gewisse Endura und eine Cosma. Aber das sind bestimmt nicht deren richtige Namen, sondern Künstler- oder Phantasienamen.«
    Â»Ein Jogger hat Ihre tote Frau heute Morgen auf dem Lohrberg gefunden. Sie saß dort auf einer Parkbank.« Es war Born, der sich zu Wort meldete.
    Â»Auf dem Lohrberg?«, wiederholte Rosen und ließ seinen Blick ein paarmal zwischen ihnen hin- und herwandern. »Der liegt doch oberhalb von Seckbach.«
    Â»Hielt Ihre Frau sich dort öfter auf?«
    Â»Nicht dass ich wüsste. Ist sie dort …«
    Â»Davon gehen wir nicht aus. Den Tatort kennen wir noch nicht. Was sagt Ihnen der Name Selma Tassen?«
    Â»Selma …«, murmelte Rosen. »Selma … Könnte sein, dass eine Selma bei uns das Büro reinigt. Aber da müsste ich meine Sekretärin fragen.«
    Ein starkes Stück, dachte Mannfeld. Ein Chef, der sich nicht einmal die Mühe macht, sich die Namen seiner wenigen Angestellten zu merken.
    Â»Dass sie für Sie gearbeitet hat, bezweifeln wir«, entgegnete Born. »Frau Tassen ist vor wenigen Tagen ebenfalls ermordet worden. Die Dame war gebürtige Norwegerin und früher mit einem Frankfurter Bauunternehmer verheiratet. Sie befand sich etwa im gleichen Alter wie Ihre Frau. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass beide Taten vom selben Täter verübt worden sind.«
    Â»Selma Tassen«, wiederholte Rosen und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Unterlippe. »Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen. Aber ich kann mich wirklich nicht erinnern, den Namen schon mal gehört zu haben.«
    * * *
    Seitdem er auf der Spüle die beiden mit den Garfieldmotiven bedruckten Tassen entdeckt hatte, fuhren seine Emotionen mit Fremden Achterbahn. In etwa fünfminütigem Turnus schielte er auf die Uhr und fragte sich, was Liliana Bode wohl unter »später« verstand.
    Als es endlich an der Wohnungstür klingelte, langte er hektisch nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Sich nachmittags schon von Dokusoaps berieseln zu lassen, tat er nur, wenn er krampfhaft nach Ablenkung suchte.
    Während er wartete, dass der Lift seinen Besuch nach oben beförderte, richtete er noch schnell den Sitz des poppigen Desigual-Shirts, für das er sich nach langem Hin und Her entschieden hatte.
    An diesem Nachmittag trug Liliana Bode ihre roten Haare wieder zu einem kunstvollen Dutt hochgesteckt. Und wie bei ihrer ersten Begegnung hatte sie auch diesmal einen bunten Sarong um die Hüften geschlungen. Die steingraue Steppjacke, deren Reißverschluss sie bis unters Kinn zugezogen

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