Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
zitiere, ›jeden verdammten Finger einzeln brechen‹. Ist das korrekt?« Logan nickte nur und schwieg. »Verstehe«, sagte der Inspector und notierte sich etwas auf seiner Kopie des Formulars. »Und gibt es Zeugen für diesen Vorfall?«
Er seufzte. »Nein. Wir waren allein im Empfangsbereich.«
»Wirklich?« Der Inspector rutschte auf seinem Stuhl vor. »Mr. Moir-Farquharson sagt, es sei noch ein Bürger zugegen gewesen. Ein gewisser Mr. …« Er blätterte in seinen Notizen. »Ein Mr. Milne, der gekommen war, um einen Diebstahl anzuzeigen?«
»Milne?« Logan runzelte die Stirn. »Was denn, Manky Milne? Ja, der war da und hat getobt, weil ihm angeblich sein Rezept geklaut worden war. Die Nummer bringt er jeden Freitag. Er denkt, wenn er das Rezept als gestohlen meldet, kriegt er mehr Dihydrocodein aus dem Drogensubstitutionsprogramm. Aber er verkauft es bloß weiter, um sich von dem Geld Heroin zu besorgen. Den Fehlbetrag gleicht er durch kleine Einbrüche aus.«
»Aha … also kein besonders zuverlässiger Zeuge.«
»Bei seinem letzten Auftritt vor Gericht hat der Richter ihn einen schamlosen Lügner mit der Moral einer Pestratte genannt. Und außerdem kam er erst später.«
Der Inspector lächelte. »Hervorragend. Wenn das so ist, steht ja wohl Mr. Moir-Farquharsons Wort gegen Ihres. Zumal, wenn dieser Milne zum Zeitpunkt des angeblichen Zwischenfalls gar nicht zugegen war … Ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet … Nun denn, ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Sergeant. Sicherlich haben Sie noch weit dringendere Verpflichtungen.« Und das war’s: Logan wurde aus dem Büro komplimentiert, mit Handschlag verabschiedet und seiner Wege geschickt.
Da stand er nun in dem leeren Flur. Von irgendwo um die Ecke kam das Quietschen von nassen Sohlen auf dem schmutzig olivgrünen Linoleum. »Was war das denn?« Er begriff es einfach nicht. Es hatte fast den Anschein gehabt, als wollte der Inspector ihm helfen … Vielleicht hatte er ja ausnahmsweise mal Glück? Wenn ja, sollte er wohl das Beste draus machen, bevor es wieder vorbei war. Logan schnappte sich zwei Uniformierte und drei tragbare Videogeräte und beschlagnahmte ein leeres Büro. Zusammen würden sie die Aufzeichnungen der Operation Aschenputtel von dem Abend durchgehen, als Holly McEwan verschwunden war.
28
DI Steel starrte mit zusammengekniffenen Augen auf den Videobildschirm. »Und was soll ich da jetzt noch mal sehen?« Logan drückte REWIND , und das Auto, das zuvor auf die Kamera zugefahren war, legte den Rückwärtsgang ein. Er drückte PLAY , und es fuhr wieder los. Ein fabrikneuer Audi. Die Bildqualität ließ zu wünschen übrig, aber es reichte, um die Frau auf dem Beifahrersitz erkennen zu können. Das Licht einer Straßenlaterne fiel auf ihr Gesicht: krauses, blondiertes Haar, schiefe Nase, tief eingekerbtes Kinn, eine halbe Tonne Make-up und ein schwarzer Schönheitsfleck auf der linken Wange.
»Holly McEwan«, sagte Logan und tippte auf den Bildschirm. »Diese Aufnahmen stammen von der Kamera des Videoüberwachungswagens. Man kann zwar nicht das komplette Kennzeichen entziffern, aber wenn Sie sich das mal anschauen …« Er deutete auf den zweiten Monitor, der ein flackerndes, hüpfendes Bild des Regent Quay zeigte. Auch hier war der gleiche nagelneue Audi zu sehen. Der Wagen hielt an der Kreuzung an, um dann über die Virginia Street zu verschwinden. Logan spulte das Band zurück und hielt es wieder an. Diesmal war das Nummernschild deutlich zu erkennen.
»Sind Sie sicher, dass es sich um denselben Wagen handelt?«, fragte Steel und drückte sich die Nase am Bildschirm platt.
»Hundertprozentig: Die teilweise erkennbare Nummer von dem anderen Video stimmt mit dieser überein, und die Zeitangaben passen auch. Aber um ganz sicherzugehen, habe ich die Kollegen von der Technik gebeten, zu versuchen, ob sie noch ein besseres Bild des ersten Kennzeichens hinkriegen.«
»Sie sind ein Schatz!« Steel grinste und ließ dabei eine Reihe gelber Zähne sehen. »Jetzt müssen wir nur noch –«
Logan schwenkte ein Blatt Papier. »Kfz-Kennzeichen, Name und Adresse.«
»Sergeant, wenn Sie eine Frau wären, würde ich Sie jetzt küssen.«
Der Stadtteil Bridge of Don war ein Konglomerat von Wohnsiedlungen im Norden der Stadt, das im Lauf der Jahre angewachsen war wie ein Mandelbrot-Fraktal von Sackgassen aus hellbraunem Backstein. Neil Ritchie besaß ein frei stehendes zweigeschossiges Einfamilienhaus am äußersten Rand der
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