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Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Titel: Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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Wie es aussah, hatte jemand Jamie am Boden festgehalten, während eine zweite Person seinen Bauch mit Faustschlägen traktiert hatte. Kleine Druckstellen am Kinn und an den Wangen deuteten zudem darauf hin, dass jemand ihm die Hand auf den Mund gehalten hatte, um ihn am Schreien zu hindern. Kein Wunder, dass das arme Schwein sich das Leben genommen hatte.
    Und dann war es Zeit, ihn aufzuschneiden, doch zum ersten Mal hatte Logan den Eindruck, dass Isobel die Obduktion rein mechanisch abwickelte. Sie schien überhaupt nicht bei der Sache zu sein, als sie Muskeln und Gewebe durchtrennte, als sei sie mit etwas völlig anderem beschäftigt. Wahrscheinlich überlegte sie sich, was sie mit Colin Miller anstellen würde, wenn sie ihn in die Finger bekäme. Das Telefon im Sektionssaal klingelte, als Isobel gerade Jamies Unterleib ausräumte. Brian flitzte los, um dranzugehen, und teilte dem Anrufer mit gedämpfter Stimme mit, dass die Rechtsmedizinerin alle Hände voll zu tun habe. In etwa einer Stunde wäre sie fertig – ob er es dann noch einmal versuchen wolle? Eine Pause, dann hielt er die Hand über die Sprechmuschel, grinste affektiert und rief Isobel zu: »Entschuldigen Sie, Dr. MacAlister, da ist ein Anruf für Sie.«
    Sie hielt inne, ohne die Hände von Jamies Leber zu nehmen, und sagte langsam und deutlich, wenngleich mit zusammengebissenen Zähnen: »Ich bin beschäftigt: Sagen Sie, ich rufe zurück! «
    Brians Gesicht verzog sich zu einem unterwürfigen Lächeln. »Es tut mir leid, Doktor, aber es ist angeblich sehr dringend!«
    Isobel fluchte halblaut. »Worum geht’s denn?« Brian eilte mit dem Telefon in der Hand zum Seziertisch und hielt es ihr ans Ohr, als sie gerade den letzten Streifen Bindegewebe durchtrennte und die Leber ganz heraushob. »Ja, hier Dr. MacAlister … Was? … Nein, Sie müssen lauter sprechen.« Jamies Leber war dunkelviolett, wie eine Riesenschnecke hing sie zwischen ihren behandschuhten Fingern. »Was ist mit ihm?« Ihre Augen weiteten sich über der Maske. »O mein Gott!« Die Leber schlug gegen die Tischkante, glitt ab und klatschte auf den Fliesenboden.
    Isobel drehte sich um, rannte aus dem sterilen Bereich heraus, vorbei an den Kühlkammern, und riss sich im Laufen Handschuhe, Maske und Schürze vom Leib. Logan sprintete hinter ihr her und holte sie ein, als sie die Stufen zum Parkplatz hinaufstürmte. »Isobel? Isobel!« Sie zielte mit dem Autoschlüssel auf ihren dicken Mercedes und sprang mitsamt ihrem blutverschmierten grünen OP-Anzug auf den Fahrersitz. Logan erwischte den Türgriff, ehe sie die Tür zuschlagen konnte. »Isobel, warte! Was ist passiert?«
    » ICH MUSS WEG !« Sie packte die Tür und knallte sie ins Schloss, trat das Gaspedal durch und brauste davon. Auf dem Asphalt blieben zwei schwarze Streifen zurück.
    »Na schön«, murmelte er, als der Mercedes die Rampe hinunterraste, um die Ecke bog und verschwand. »Dann eben nicht.«

33
    Im Leichenschauhaus mühte Doc Fraser sich gerade schwerfällig in einen grünen OP-Anzug, während Brian Jamie McKinnons Leber abspülte. »Wissen Sie, was das eben sollte?«, fragte Logan Brian, der das dunkelviolette Organ nun mit grünen Papierhandtüchern trocken tupfte.
    »Keine Ahnung«, antwortete er und legte den Batzen Fleisch in eine Nierenschale. »Das war das Krankenhaus. Der Typ sagte, es sei dringend, aber das war auch schon alles.«
    »Okay, Herrschaften«, meinte Doc Fraser und zog sich ein paar Latexhandschuhe über. »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich die Sache hier gerne zügig zu Ende bringen. Ich muss schließlich noch diese ganzen Spesenabrechnungen ausfüllen.«
    Der Rest der Obduktion verging wie im Flug. Doc Fraser säbelte in Jamies Eingeweiden herum, hob Organe heraus, wog sie und nahm Gewebeproben, die Brian anschließend in kleine Plastikröhrchen mit Formalin füllte. Und dann stopfte Brian auch schon die Organe dorthin zurück, wo sie hergekommen waren, und nähte die Leiche mit einem routinierten Schlingstich wieder zu.
    »Also«, sagte Doc Fraser, während er seine Handschuhe wie Gummibänder in einen Treteimer flutschen ließ, »ich muss mir noch die Aufzeichnungen von unserer Eiskönigin anhören, bevor ich Ihnen das volle Programm bieten kann, aber es sieht jedenfalls so aus, als ob Ihr Freund hier nicht an einer Überdosis gestorben ist. Okay, der kleine Dummkopf hat sich zwar eine solche Menge von dem Dreck in die Vene gejagt, dass er es unmöglich hätte überleben können, aber es

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