Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Aserbaidschan, Angola oder Nigeria beantragen musste … Alles in allem kein Beweis für gar nichts – nur ein Vorwand für Logan, um das Unvermeidliche noch ein wenig aufzuschieben, und eine Gelegenheit für Rennie, ihren Hintern anzustarren, während sie von Zimmer zu Zimmer gingen. Als sie wieder unten im Wohnzimmer waren, atmete Logan noch einmal tief durch und brachte ihr die schlechte Nachricht bei. Fast eine Minute lang stand sie in geschocktem Schweigen da, ehe die Tränen kamen. Logan und Rennie gingen und zogen die Tür hinter sich zu.
Dann saßen sie im Wagen; Logan fluchte leise vor sich hin, während Rennie sehnsüchtige Blicke auf das Haus warf. »Sind Sie sicher, dass ich nicht noch mal reingehen und sie ein bisschen trösten sollte, Sir? Ihr eine Schulter zum Ausweinen bieten und so …« Er brach ab, als er Logans Gesichtsausdruck sah, räusperte sich und ließ den Wagen an. »Na gut.«
Logan blickte sich noch ein letztes Mal um und war kaum überrascht, als ihm aus dem Nebenhaus ein Paar Schweinsäuglein entgegenstarrte. Die Frau hatte hundertprozentig etwas zu verbergen.
Im Leichenschauhaus im Präsidium der Grampian Police roch es merkwürdig nach Käse und Zwiebeln, als Logan sieben Minuten vor dem Termin für Jamie McKinnons Autopsie eintraf. Der Ehrengast war schon da – splitternackt lag er auf dem Seziertisch und starrte zur Decke hinauf. Doch außer ihm war weit und breit kein Mensch zu sehen. Nicht dass Jamie McKinnon bei seiner Abschiedsvorstellung mit großem Andrang rechnen konnte – schließlich war es nur ein ganz gewöhnlicher Junkie-Selbstmord. Weil er sich im Gefängnis umgebracht hatte, würde es eine offizielle Untersuchung geben müssen, doch es war eher unwahrscheinlich, dass sie sich urplötzlich zu einem öffentlichen Skandal ausweiten würde. Jamies einzige lebende Verwandte war seine Schwester, und da sie selbst ihm die Drogen beschafft hatte, konnte sie wohl kaum eine Klage wegen seines Todes in Haft anstrengen. Und so würden heute nur Logan und DC Rennie auf den billigen Plätzen sitzen, und nicht einmal eine stellvertretende Staatsanwältin würde ihnen Gesellschaft leisten. Apropos Rennie – wo steckte der Kerl eigentlich? Isobel kam um zwei Minuten nach vier in den Sektionssaal geschlurft und gähnte so gewaltig, dass man Angst um ihre Kiefergelenke haben musste, ohne dabei die Hand vor den Mund zu halten. Sie sagte nicht einmal Hallo, sondern ging schnurstracks zum Becken, um sich die Hände zu waschen.
Logan seufzte. Eine Geste des guten Willens konnte ja nicht so verkehrt sein. »Na, wohl nicht viel Schlaf gekriegt letzte Nacht?«
»Hmmm?« Sie hielt im Händetrocknen inne und sah ihn an. Ihr Blick war noch genauso abweisend wie heute Morgen. »Ich möchte nicht darüber reden.«
»Okay …« Na, das würde mal wieder eine lustige Obduktion werden.
»Also, wenn du’s unbedingt wissen willst – Colin ist letzte Nacht nicht nach Hause gekommen.« Sie zog eine grüne Plastikschürze von der Rolle neben dem Waschbecken und band sie um ihren OP-Kittel. Sie war so lang, dass sie bis über die Spitzen ihrer Gummistiefel fiel.
»Oh?« Da musste Miller sich ja wohl auf einiges gefasst machen, wenn er heute von der Arbeit zurückkam. »Was hatte er denn für eine Ausrede?«
Ihre Miene verfinsterte sich noch mehr. »Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen.« Sie knallte ein Tablett mit chirurgischen Instrumenten auf den Rollwagen, der neben Jamies Leiche stand. »Es ist vier Uhr – wo stecken die nur wieder alle?«
Isobels Assistent Brian traf als erster der Nachzügler ein und entschuldigte sich überschwänglich. DC Rennie folgte ihm auf dem Fuß, und als Letzter trudelte Doc Fraser ein – volle acht Minuten zu spät. Dennoch zeigte er keinerlei Reue. Er sei schon um drei bereit gewesen, meinte er, und ob es in Ordnung sei, wenn er seine Spesenabrechnung machte – er sei zwei Monate im Rückstand und brauche das Geld. Nachdem er Isobels finsteren Blick als ein Ja interpretiert hatte, warf er seine Aktentasche auf den nächsten freien Seziertisch und breitete einen Wust von Papieren und Quittungen auf der glänzenden Edelstahlfläche aus.
Mit einem entnervten Seufzer begann Isobel die Voruntersuchung. Sie beschrieb den Zustand des Leichnams in allen Einzelheiten und fand Spuren von mindestens einem Dutzend verschiedener Fälle von Gewalteinwirkung. Die jüngsten Prellungen hatten noch nicht einmal Zeit gehabt, sich zu richtigen blauen Flecken zu entwickeln.
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