Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Namen habe ich ja schon eine ganze Weile nicht mehr gehört. Sie da –« Insch pickte sich willkürlich einen Constable heraus und trug ihm auf, bei den Zahnarztpraxen der Stadt herumzutelefonieren. Insch wollte wissen, wer Graham Kennedy behandelt hatte: Zahnstatus, Röntgenaufnahmen, der ganze Kram. Es war die einzige Möglichkeit, die verkohlte Leiche unten im Leichenschauhaus sicher zu identifizieren. Diesmal war das Glück tatsächlich auf ihrer Seite: Die vierte Praxis, die der Constable anrief, hatte einem gewissen Graham Kennedy vor knapp acht Monaten eine ganze Batterie von Füllungen verpasst.
Sie ließen die Röntgenbilder sofort per Kurier ins Leichenschauhaus bringen, und zehn Minuten später konnte Doc Fraser die Identifizierung bestätigen: Graham Kennedy galt jetzt offiziell als tot. Endlich hatten sie einen Punkt, an dem sie mit der Ermittlung ansetzen konnten.
Insch schnappte sich PC Steve und trug ihm auf, alles, was im Strafregister über Graham Kennedy zu finden war, zu besorgen und sich anschließend mit ihm auf dem Parkplatz zu treffen. Dann blaffte er einen DS Beattie an, seinen Arsch in Bewegung zu setzen – sie würden jetzt Graham Kennedys Familie informieren. Und bei dieser Gelegenheit ein bisschen in seinen Sachen herumwühlen.
»Äh, Sir«, sagte Logan, der Insch nachgelaufen war, »ich hatte gehofft, Sie würden mich vielleicht zu dem Einsatz mitnehmen …«
Insch zog eine Augenbraue hoch und stocherte mit seinem Wurstfinger auf den Aufzugsknopf ein. »Ach ja? Und was ist mit DI Steel? Sie sollten doch für sie arbeiten. ›Mehr unmittelbare Beaufsichtigung‹, schon vergessen?«
Logan machte den Mund auf und wieder zu. »Ach, kommen Sie, Sir! Ich habe ja nicht um die Versetzung gebeten! Und außerdem habe ich heute sowieso frei. Ich habe –«
»Sie haben frei, und Sie wollen bei einem Einsatz mitmachen?« Insch beäugte ihn misstrauisch. »Haben Sie den Verstand verloren oder so was?«
»Bitte, Sir! Ich muss unbedingt raus aus Steels Team. Ich werde sonst wirklich noch verrückt! Da läuft nichts nach Vorschrift; selbst wenn wir am Ende irgendwas in der Hand haben, wird es so zweifelhaft sein, dass jeder Strafverteidiger, der auch nur ein bisschen was draufhat, die Anklage in der Luft zerreißt! Wenn ich nicht bald irgendwelche Erfolge vorweisen kann, werde ich da kleben bleiben, bis sie mich feuern oder ich komplett durchdrehe.«
Insch schüttelte den Kopf. Ein kleines Lächeln hellte seine Züge auf. »Es geht mir nahe, einen erwachsenen Mann betteln zu sehen.« In diesem Moment bog ein keuchender, bärtiger Detective Sergeant um die Ecke und zog sich im Laufen eine riesige, knallbunte Regenjacke über. DI Insch wartete, bis er den ganzen Korridor entlanggehetzt und mit quietschenden Sohlen vor ihnen zum Stehen gekommen war, um ihm dann zu eröffnen, dass er nicht gebraucht würde. Er würde stattdessen DS McRae mitnehmen. Der Bärtige trollte sich wieder, halblaute Flüche murmelnd.
Der Inspector grinste. »Ich wollte nur mal sehen, wie der fette Sack sich für sein Geld zur Abwechslung ein bisschen anstrengt«, sagte er fröhlich. Logan lag eine Bemerkung zu Glashäusern und Steinen auf den Lippen, doch er verkniff sie sich.
Während sie die Treppe zum Parkplatz hinuntergingen, fragte Insch ihn über DI Steels Fälle aus. Er wollte alles über die totgeprügelte Prostituierte und den Labrador im Koffer wissen. Als sie endlich damit fertig waren, hatten sie auch schon den Hinterausgang erreicht, wo ein rotgesichtiger PC Steve Jacobs sie mit einem kleinen Stapel von DIN-A4-Ausdrucken erwartete: Graham Kennedys Vorstrafenregister. Insch zielte mit seinem Autoschlüssel auf einen dreckverkrusteten Range Rover und klickte die Zentralverriegelung auf. »Okay«, sagte er und marschierte in den Regen hinaus, »PC Jacobs, Sie dürfen uns chauffieren. DS McRae, Sie gehen nach hinten; aber treten Sie nicht auf das Hundefutter.«
In Inschs Wagen roch es, als hätte irgendetwas Nasses, Haariges sich dort häuslich eingerichtet. Die Rückbank war durch ein hohes Metallgitter vom Kofferraum getrennt, und kaum war Logan hineingeklettert und hatte die Füße sorgfältig neben die Riesentüte Hundefutter Marke »Senior-Mix« gestellt, da wurde auch schon eine feuchte schwarze Schnauze gegen das Gitter gedrückt. Lucy, die betagte Springerspaniel-Hündin des Inspectors, war eigentlich ein hübsches Tier, mit großen braunen Augen, denen niemand widerstehen konnte. Aber immer, wenn es
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