Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
hielt vor Logans Wohnung an und verlangte die Kassetten mit der Aufzeichnung der Vernehmung. Logan gab sie ihr und fragte, ob er denn nicht den Papierkram erledigen solle – die Kassetten ins Archiv bringen, ein Exemplar an Jamie McKinnons Strafverteidiger weiterleiten. »Vergessen Sie’s«, war die Antwort. »Diese Scheißdinger vermasseln mir die ganze Ermittlung.« Sie nahm die Kassetten, drehte sie um und zog das glänzende braune Band mit einem nikotingelben Fingernagel heraus. So lange, bis der Bandsalat das ganze Auto füllte. »Wenn irgendjemand fragt: Der Kassettenrekorder war kaputt, okay? Es hat nie eine Aufnahme gegeben. Wir vergessen alles, was gesagt wurde, und machen uns wieder daran, zu beweisen, dass Jamie McKinnon es getan hat.« Logan wollte protestieren, doch Steel fuhr ihm über den Mund. »Was wollen Sie denn?«, sagte sie. »Wir wissen beide , dass er es war! Es ist unser Job, dafür zu sorgen, dass er nicht ungestraft davonkommt.«
»Und wenn er es doch nicht getan hat?«
»Natürlich hat er es getan! Er hat sie schon öfter verprügelt, weil sie auf den Strich gegangen ist, und ist deswegen auch schon mal verknackt worden. Und jetzt geht er hin und schwört ihr ewige Liebe, und sie lässt ihn für ’nen Quickie in einem Hauseingang blechen. Dann zieht sie los, um den Nächsten zu vögeln. Er kriegt einen Wutanfall und bringt sie um. Ende des Lieds.« Sie schüttelte den Kopf. »Und jetzt heben Sie Ihren Arsch aus meinem Auto. Ich hab noch was zu erledigen.«
Den Rest des Nachmittags brachte Logan damit zu, in seiner Wohnung herumzuhängen und zu schmollen. Das war’s dann gewesen mit seiner kühnen Hoffnung, der Mord an Rosie Williams könnte ihn wieder aus dem Versagerclub herauskatapultieren. Wenn DI Steel so weitermachte, würden sie am Ende ohne zulässige Beweise dastehen, und die Position der Anklage wäre auf der ganzen Linie geschwächt. Die Frau war wirklich eine Landplage. Um halb acht war Jackie immer noch nicht aufgetaucht, also ging er ins Pub und wünschte den Rest der Welt zur Hölle. Das Archibald Simpson’s kam nicht in Frage: Nur einen Katzensprung vom Präsidium entfernt und voll mit billigem Bier, war das Lokal die bevorzugte Anlaufstelle für Polizisten, die ihr Schichtende begießen wollten, und Logan hatte in der letzten Woche wegen PC Maitland schon mehr als genug böse Blicke geerntet. Stattdessen lief er die Union Street hinauf ins Howff und hockte sich mit einem großen Director’s Ale und einer Tüte Erdnüsse auf ein quietschendes beigefarbenes Sofa in der hintersten Ecke des Kellerlokals, um über Jackie und ihr kratzbürstiges Temperament nachzugrübeln. Und dann holte er sich noch ein Bier. Und noch eins. Und einen Burger – mit Bergen von Chili, so scharf, dass ihm die Augen tränten –, und dann noch ein Bier. Immer tiefer versank er in Selbstmitleid. PC Maitland – Logan konnte sich nicht einmal an seinen Vornamen erinnern. Bis zu der verbockten Razzia hatte er nie mit dem Mann zu tun gehabt, kannte ihn nur als den Typ mit dem Schnauzbart, der sich einmal für das Kinderhilfswerk eine Glatze hatte rasieren lassen. Arme Sau. Noch zwei Bier, und dann war es Zeit, mit benebeltem Kopf nach Hause zu schlurfen, mit einem Zwischenstopp an einer Imbissbude, wo er sich eine große Portion Fish & Chips kaufte. Das meiste davon ließ er unberührt im Wohnzimmer liegen, als er endlich in sein einsames Bett wankte.
Der Samstagmorgen begann mit einem Kater. Von den fetten blau-gelben Schmerztabletten im Badezimmerschrank, die ihm verschrieben worden waren, nachdem Angus Robertson ihm mit einem Fünfzehn-Zentimeter-Jagdmesser eine medizinisch nicht indizierte Bauchoperation verpasst hatte, war nichts mehr übrig. So musste er sich mit einer Hand voll Aspirin und einem Becher starkem Instant-Kaffee begnügen. Er ging damit ins Wohnzimmer, um zu sehen, ob irgendwelche lustigen Trickfilme im Fernsehen kamen. Sein Herz machte einen Satz, als er die Gestalt auf der Couch erblickte. Es war Jackie. Von Kopf bis Fuß in die Gästebettdecke gehüllt, blinzelte sie verschlafen, als er wie angewurzelt in der Tür stehen blieb. Er hatte gar nicht gehört, wie sie in der Nacht nach Hause gekommen war. Sie sah ihn nur kurz an, murmelte: »Mag keinen Kaffee …«, und zog sich die Decke über den Kopf, als wollte sie mit ihm und dem Rest der Welt nichts zu schaffen haben.
Logan ging zurück in die Küche und machte die Tür hinter sich zu.
Es war Samstag, der einzige Tag,
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