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Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Titel: Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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alias Malk the Knife keinerlei Erwähnung, wie etwa Drogen, Prostitution, Schutzgelderpressung, Kreditwucher, Waffenhandel und überhaupt jegliche Art krimineller Machenschaften, in denen er seine dreckigen Finger hatte.
    Logan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und las den Artikel noch einmal. Kein Wunder, dass Colin Miller so schreckhaft gewesen war, als er ihn im Pub getroffen hatte. Der Reporter war bei der Scottish Sun rausgeflogen, weil er sich geweigert hatte, eine Serie von Hintergrundartikeln über Malk the Knifes Verwicklung in den Drogenschmuggel abzuschließen. Zwei von Malkies Jungs hatten ihm nämlich sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihm die Finger abhacken würden, wenn er die Story nicht sofort fallen ließe wie die sprichwörtliche radioaktive Kartoffel. Und erst letztes Jahr Weihnachten hatte Malk the Knife den vergeblichen Versuch unternommen, durch Bestechung von Beamten der Planungsbehörde ein lukratives Bauprojekt an Land zu ziehen. Offenbar hatte er diesmal mehr Glück gehabt.
    Aber die eigentliche Story des Tages stand nicht in der Press and Journal. Dafür würden die Abendnachrichten voll davon sein.

12
    Alle Geräusche waren gedämpft. Der Nebel, dichter hier im Wald als draußen auf der Straße, hing an den Bäumen und dem Farn und ließ alles fremd und unheimlich wirken. Dem Regen war irgendwann nach Mitternacht die Puste ausgegangen, und er hatte sich zu einem dunstigen Nieseln abgeschwächt. Und dann war der Haar über die Nordsee heraufgezogen, der klamme Nebel, der diese Ecke Schottlands regelmäßig heimsuchte und die ganze Landschaft unter sich begrub. Der Boden unter ihren Füßen war kalt und nass, als sie zwischen schemenhaften Silhouetten von tropfenden Kiefern, Eichen, Buchen und Fichten den Waldweg entlangpatschte. Der Wald von Tyrebagger war heute ein gutes Stück unheimlicher als gestern. Alles Mögliche konnte hinter den Büschen lauern, gleich hinter der nächsten Wegbiegung. Und auf sie warten … Nur gut, dass sie Benji als Beschützer dabeihatte – oder gehabt hätte, wenn der kleine Schlawiner nicht bei der ersten Gelegenheit in den Nebel davongeschossen wäre.
    »Benji! … Beeeenji?« Im Wald knackte etwas, und sie erstarrte. Ein Zweig? »Benji?« Stille. Sie vollführte eine langsame Pirouette und ließ die weiß-graue Landschaft an sich vorüberziehen. Es war totenstill. Genau wie in den Filmen, kurz bevor dem blonden Dummchen mit dem großen Busen irgendetwas ganz Schreckliches zustieß. Sie lächelte in sich hinein. Was das betraf, hatte sie wohl kaum etwas zu befürchten – schließlich war sie brünett und flachbrüstig und hatte ein Diplom in Molekularbiologie. Sie war nur ein bisschen nervös wegen des Vorstellungsgesprächs. »Benji! Wo steckst du, du haariger kleiner Scheißer!« Der Nebel verschluckte ihre Rufe, nicht einmal ein Echo kam zurück. Und doch war sie sicher, dass da irgendetwas war …
    Sie schüttelte den Kopf und ging weiter, folgte dem Tyrebagger-Skulpturenpfad in umgekehrter Richtung. Aus dem Nebel tauchte ein riesiger, geisterhafter Hirschkopf auf, schwebte dort zwischen den Bäumen wie eine groteske Mischung aus den eher unheimlichen Bildern von Unten am Fluss , Rudolph dem Rentier und dem ausgeschlachteten Wrack eines knallgelben Ford Escort. Immer, wenn sie dieses Ding sah, musste sie unwillkürlich lächeln. Aber diesmal nicht. Diesmal hatte es etwas Primitives an sich, etwas Heidnisches. Etwas Raubtierhaftes. Fröstelnd eilte sie daran vorbei und rief wieder nach Benji. Warum musste er auch ausgerechnet heute mit ihr Verstecken spielen? Sie hatte schließlich nicht den ganzen Vormittag Zeit, nach ihm zu suchen! Ihr Vorstellungsgespräch war um halb zwölf. Das sollte doch nur ein kleiner Waldspaziergang werden, um ihre Nerven zu beruhigen. Stattdessen stapfte sie jetzt wie eine Idiotin im Nebel herum und suchte ihren blöden Spaniel. »BENJI!«
    Da war wieder dieses Knacken. Sie erstarrte. »Hallo?« Nichts. »Ist …« Sie würde sich selbst dafür hassen, dass sie so etwas gesagt hatte: »Ist da jemand?« Da konnte sie sich doch gleich Stöckelschuhe und einen Push-up-BH anziehen und sich hinhocken, um auf den Axtmörder zu warten.
    Stille.
    Nichts, nicht einmal ein Flüstern. Das einzige Geräusch war das Pochen ihres Herzschlags. Das war einfach lächerlich – dass letzte Woche irgendeine Frau zu Tode geprügelt worden war, hieß doch noch lange nicht, dass hier im Wald irgendjemand lauerte … auf sie wartete

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