Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
als wäre er schwer von Begriff. »Sie wissen ganz genau, wovon ich rede.«
»Und dieser gewalttätige Drecksack dachte also, Ihre Freunde würden Sie weiter mit Stoff versorgen, auch im Knast?«
Ein kleines, humorloses Lachen, und Jamie biss sich auf die Lippe – nicht fest, aber doch fest genug, um die Wunde wieder aufplatzen zu lassen, sodass frisches rotes Blut durch den rötlich gelben Schorf sickerte. »Die werden mir nichts mehr besorgen, für niemanden …«
»Nein?« Logan hatte so eine Ahnung, wer Jamies Lieferanten gewesen waren und wo sie jetzt waren: in Leichensäcke verpackt, unten in Isobels Schreckenskammer. »Und wo kriegen Sie in Zukunft Ihren Stoff her?«
Eine lange Pause trat ein. Dann sagte Jamie: »Ich hab sie nicht umgebracht.«
»Ich weiß, das haben Sie schon einmal gesagt, Jamie, aber es gibt Indizien und Zeugen, die Sie belasten, und Sie hatten sie früher schon geschlagen –«
Jamie schniefte, die Tränen schossen ihm in die Augen. »Ich hab sie geliebt.«
Logan runzelte die Stirn. Ganz gleich, was Steel sagte, ihn beschlich allmählich das unangenehme Gefühl, dass Jamie vielleicht doch die Wahrheit sagen könnte. »Erzählen Sie mir, was in dieser Nacht wirklich passiert ist. Von Anfang an.«
Draußen auf dem Korridor wartete DI Steel auf ihn. Die Hände in den Hosentaschen, stand sie vor einem großformatigen Ölgemälde, das hauptsächlich aus Abstufungen von Blau und Orange bestand. »Haben Sie ’ne Ahnung, was das sein soll?«, fragte sie ihn.
»Das ist eine postmoderne Darstellung der Geburt des Menschen.« Logan kannte sämtliche Bilder in diesem Krankenhaus in- und auswendig. Er hatte genug Zeit mit ihnen verbracht, als er damals immer nach Einbruch der Dämmerung durch die Korridore gewandert war, in der einen Hand den Infusionsständer, in der anderen die Krücke. »Sieht wesentlich besser aus, wenn man auf Morphium ist.«
Steel schüttelte den Kopf. »Sachen gibt’s.« Sie warf Logan einen Seitenblick zu. »Na, hat McKinnon endlich gesungen? Hat er bei dem netten Bullen sein Herz ausgeschüttet?«
»Behauptet immer noch, er hätte sie nicht getötet. Aber wie’s scheint, hat er als Wiederverkäufer für die Typen gearbeitet, die Montagnacht bei dem Feuer umgekommen sind.«
Steel nickte. »Das passt.« Sie hielt McKinnons Krankenblatt hoch. Logan hatte gar nicht mitbekommen, wie sie es eingesteckt hatte. »Versuchter Selbstmord, dass ich nicht lache: Er hat ’ne Plastikgabel verschluckt. Jeder Trottel in Craiginches versucht’s irgendwann mal mit dem Trick. Ist nicht tödlich, aber man kriegt einen netten Urlaub im Krankenhaus spendiert, wo die Sicherheitsmaßnahmen nicht so streng sind. Und in der Besuchszeit kann man sich von den lieben Verwandten alles bringen lassen, was das Herz begehrt. McKinnon ist ein Dealer – jede Wette, dass er nur darauf wartet, das ihm irgendjemand was zusteckt, ehe er wieder hinter Gitter muss. Einen Teil verkauft er vielleicht, den Rest konsumiert er selbst.« Sie warf Jamies Krankenblatt in den nächsten Mülleimer und steuerte den Ausgang an. »Wir müssen ihn überwachen lassen. Mal sehen, was er sich so liefern lässt.«
Logan warf noch einen letzten Blick auf Die Geburt des Menschen und folgte ihr.
Der Rest des Tages ging damit drauf, die Genehmigung für eine unauffällige Überwachung Jamie McKinnons zu beantragen, und wie üblich durfte Logan die ganze Arbeit machen. DI Steel rauchte eine Zigarette nach der anderen und erteilte »hilfreiche Ratschläge«, aber es war Logan, der sich durch die Berge von Papierkram kämpfen musste. Das Einzige, was sie tatsächlich höchstpersönlich übernahm, war, den Antrag beim Leiter der Kriminalabteilung einzureichen, der alles andere als begeistert war. Die Personaldecke war ohnehin schon äußerst dünn. Das Äußerste, was er genehmigen konnte, war ein Beamter in Zivil, der regelmäßig während der Besuchszeiten vorbeischaute. Aber auch das nur, wenn gerade nichts Wichtigeres anstand.
Nachdem das erledigt war, zog DI Steel los, um eine Flasche Wein und ein halbes Dutzend rote Rosen zu besorgen. Offenbar stand ihr ein wesentlich angenehmerer Abend bevor als Logan.
Halb neun, Sonntagabend: Inzwischen musste Jackie auf sein und sich für die Nachtschicht fertig machen. Als er die Wohnungstür aufschloss, drang eine grauenhaft entstellte Version der Titelmelodie der Familie Feuerstein aus der Dusche an seine Ohren. Nach einem letzten » dah da, dum-di dah -da …« wurde die
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