Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
glimmend zwischen ihren faltigen Lippen klemmte. »Ich habe eine gute Nachricht für Sie! Es wurde schon wieder eine tote Nutte gefunden!« Kurz darauf brausten sie über die Inverurie Road aus der Stadt hinaus, am Flughafen vorbei und den Berg hinauf Richtung Tyrebagger Woods. Es war nicht weit – keine fünfzehn Minuten vom Zentrum aus, so wie die DI fuhr.
Logan saß auf dem Beifahrersitz von Steels kleinem Sportflitzer und versuchte ganz ruhig zu bleiben, während sie durch den wabernden Nebel sausten. »Jetzt erklären Sie mir doch noch mal, wieso das eine gute Nachricht ist …«
»Zwei tote Prostituierte, beide splitternackt ausgezogen und zu Tode geprügelt. Das ist keine simple Mordermittlung mehr: Wir haben es mit einem waschechten Serienkiller zu tun!«
Logan riskierte einen Seitenblick. Durch den Qualm des anderthalb Zentimeter langen Zigarettenstummels, der dem dichten Nebel draußen ernsthafte Konkurrenz machte, konnte er ein breites Grinsen auf Steels Lippen ausmachen. Sie zwinkerte ihm zu. »Denken Sie doch mal nach, Laz! Das ist unsere Chance, aus der Versagerfabrik auszubrechen! Wir haben Jamie McKinnon schon in Gewahrsam; jetzt müssen wir ihm nur noch die beiden Morde nachweisen, und wir sind fein raus. Dann ist Schluss mit den beschissenen Fällen, die sonst keiner haben will; dann muss ich mich endlich nicht mehr mit sämtlichen Halbidioten und hoffnungslosen Fällen herumschlagen, die anderswo aussortiert wurden. Dann machen wir endlich richtige Polizeiarbeit, Sie und ich!«
Im Nebel hätten sie fast die Abzweigung verpasst, ein kurviges Asphaltband, das sich in den düsteren Wald hineinwand. Steel folgte der Straße, bis das träge Flackern eines Blaulichts ihnen anzeigte, dass sie die Einfahrt des Parkplatzes erreicht hatten. Sie stellte den Wagen zwischen der verdreckten Kiste der Spurensicherung und einem schicken Mercedes ab, der vermutlich Isobel gehörte. Logan stöhnte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Der Wald ringsum war dicht und still, eingehüllt in ein dickes weißes Bahrtuch. Kein Lüftchen wehte, als DI Steel den Kofferraum öffnete und ihre überraschend sauberen Schuhe gegen ein schmuddeliges Paar Gummistiefel tauschte. Und dann marschierten sie los, immer den Pfad entlang.
»Was wissen wir über das Opfer?«, fragte Logan, als Steel neben ihm keuchend den Hang hinaufstieg.
»Null Komma nix.« Sie blieb stehen und zündete die letzte Zigarette aus ihrer Packung am glimmenden Rest der vorletzten an, der noch zwischen ihren Lippen steckte, um dann den winzigen Stummel in den Nebel zu schnippen. »Die Leitstelle sagte: ›Nackt und übel zugerichtet‹, und ich sagte nur: ›Her damit!‹«
»Und woher wissen Sie dann, dass es eine Prostituierte ist?«
»Die Handtasche ist voll mit Kondomen. Kein Ausweis, aber dafür Massen von Kondomen. Mag ja sein, dass sie erotische Ballonskulpturen verkauft hat, aber ich tippe doch eher auf Nutte.«
»Und wenn es nun doch keiner ist?«
»Kein was?«
»Kein Serienmörder. Wenn es doch nicht McKinnon war? Sondern ein Nachahmungstäter?«
DI Steel zuckte mit den Achseln. »Nun wecken Sie doch keine ungelegten Eier.«
Der Tatort war nicht schwer zu finden, selbst in dem alles einhüllenden Nebel. Schon von weitem hörten sie das Klacken und Sirren der Kamera, und der Blitz erhellte die ganze Umgebung wie Wetterleuchten. Die Kollegen hatten schon eifrig meterweise blaues Absperrband um die Bäume gezogen. Sie schlüpften darunter hindurch und folgten den Geräuschen und dem Licht. Plötzlich tauchten aus dem Nebel die Umrisse verrottender Tierkadaver auf. Als Nächstes sahen sie, dass die Spusis diesmal darauf verzichtet hatten, das traditionelle Zelt zu errichten – es war zu sperrig und passte nicht zwischen den Bäumen durch –, und stattdessen eine Art Biwak gebaut hatten, indem sie die blaue Plastikplane über die Büsche drapiert und das Ganze mit Absperrband umwickelt hatten.
Logan und Steel quälten sich in ihre weißen Papieroveralls und Überschuhe. Die Spusis hatten aus rechteckigen Platten von der Größe von Tabletts, die mit kurzen Metallbeinen ausgestattet waren, einen Gehweg ausgelegt, der um die Lichtung herum zu einer kleinen Gruppe von Menschen führte. Damit sollte verhindert werden, dass die Ermittler und anderes Personal den ganzen Tatort zertrampelten und Spuren vernichteten. Steel und Logan stapften über die scheppernden Platten acht Zentimeter über dem Boden auf die Leiche zu. Ein Fotograf der
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