Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Er mampfte die siedend heißen Pommes auf dem Weg zurück zum Hafen. Der kotzende FC-Aberdeen-Fan war verschwunden, wurde aber würdig vertreten von einem Rudel kichernder Mädels in Miniröcken, bauchfreien Tops und High Heels, die den Passanten Beleidigungen an den Kopf warfen. Sie kamen von der anderen Straßenseite über den Zebrastreifen gestakst, tranken Bacardi Breezer aus der Flasche und fragten Logan, ob sie was von seinen Pommes abhaben könnten. Als er Nein sagte, schrien sie ihn an und nannten ihn einen »elenden Scheißkerl«. Seufzend ging Logan weiter, über die Kuppe und hinunter Richtung Hafen. Der Schellfisch war gut: frisch und flockig und saftig und – Mist, das war sein Handy. Er balancierte seine Fish & Chips mit einer Hand, während er sich die fettigen Finger an dem Einwickelpapier abwischte und das lärmende Telefon aus den Tiefen seiner Hosentasche an die kalte Nachtluft beförderte.
»Hallo? Ist dort DS McRae?« Eine Männerstimme. Logan gab zu, dass er auf den Namen hörte. »Okay, gut. Ich hab da eine Nachricht gekriegt, dass Sie mich sprechen wollen. PC Taylor.«
Logan musste einen Moment überlegen. »Constable Taylor«, sagte er schließlich, während er sich mühte, das Papier wieder über die Pommes zu bugsieren, damit sie nicht kalt wurden. »Sie fahren doch Streife am Hafen, nicht wahr? Shore Lane, Regent Quay, die Gegend?«
»Aye.«
»Ich suche ein junges Mädchen, zwischen vierzehn und sechzehn, hat in der Shore Lane angeschafft. Litauerin, noch nicht lange in der Stadt, hübsch, mit einer Frisur wie aus einem alten Rock-Video. Sie sagte, ihr Name sei Kylie Smith. Ich will sie oder ihren Zuhälter. Am liebsten beide.«
Es war einen Moment still, dann: »Sagt mir jetzt nichts, aber ich kann ja mal rumfragen.«
»Gut. Nächste Frage: eine Frau, weiß, Mitte vierzig, PVC-Regenmantel, schwarzes Spitzentop, lange Stiefel. Blond, kurz geschnittene Dauerwelle. Scheint zum Stammpersonal zu gehören. Ist vor kurzem übel verdroschen worden – ich muss sie dringend sprechen.«
Diesmal kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. »Klingt nach Agnes Walker, Kosename Skanky Agnes. Ist auf so einer Art Methadon-Programm, glaub ich.«
»Haben Sie eine Adresse?« PC Taylor hatte sie nicht dabei, doch er würde sie besorgen. Logan dankte ihm und legte auf. DI Steels Fritten waren noch einigermaßen warm, als er zum Wagen zurückkam. Sie schlang alles wortlos hinunter, während Logan sein Irn-Bru in sich hineinschüttete.
»Gut«, sagte Steel, leckte sich die letzten Salzkörnchen von den Fingern und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. »Zurück an die Arbeit.« Fünfzehn Minuten später schnarchte sie selig.
Logan seufzte. Es würde eine lange Nacht werden.
Gegen halb drei weckte er DI Steel. Sein Rücken tat allmählich weh vom stundenlangen Sitzen im Auto, und es war anstrengend, die ganze Nacht zu beobachten, wie nichts passierte. Während Steel blinzelte, gähnte und sich wieder eine Zigarette ansteckte, stieg Logan aus, um sich die Beine zu vertreten. Eine weiße Atemwolke umwaberte seinen Kopf, schimmernd im Schein der Bogenlampen des Hafens. Direkt hinter ihnen hatte ein riesiges blau-grünes Versorgungsschiff festgemacht, in dessen dunklen, leeren Fenstern sich die stille Stadtlandschaft spiegelte. Fernes Klirren und Hämmern hallten durch den Hafen; das grelle Blitzen von Schweißarbeiten auf einem russischen Schiff, dessen rot gestrichener Rumpf mit Rost- und Schmutzstreifen überzogen war; das Getöse einer Stahlluke, die zugeschlagen wurde. Das Heulen eines Krans. Trunkene Gesänge.
Die Hände tief in die Taschen gestopft, machte sich Logan zu einem Rundgang durch die Straßen auf, die Aberdeens Rotlichtbezirk bildeten. Bald würden die Nachtlokale ihre letzten Gäste rausschmeißen – ein letzter Schwung Kundschaft für die Freudenmädchen: eine schnelle Nummer im Stehen mit einem Betrunkenen in einem verdreckten Hauseingang, oder die einmalige Chance, totgeprügelt und irgendwo in einem Graben abgeladen zu werden. Und es war ja nicht so, als ob die Polizei eine Ahnung gehabt hätte, wann oder auch nur ob der Killer noch einmal zuschlagen würde. Heute oder morgen Nacht, oder vielleicht übermorgen … Und angenommen, er schlug tatsächlich zu, würden sie es überhaupt mitbekommen? Wenn er nicht auf den Köder hereinfiel, wenn er sich eine der echten Nutten schnappte und nicht eine der hässlichen Schwestern der Operation Aschenputtel, würde die Grampian Police es
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