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Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Titel: Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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getrost ausschließen. Sonst noch etwas?«
    »Ich gebe immer noch Nachhilfestunden. Manchmal denke ich, das ist das Einzige, was mich seit meiner Pensionierung noch aufrecht hält.«
    »Ach ja?« Insch stocherte mit der Schuhspitze in den Überresten eines großen Porzellanhundes herum. »Was denn – Klavier? Französisch?«
    »Chemie. Ich war sechsunddreißig Jahre lang Chemielehrerin.« Sie lächelte, und die Erinnerung verschleierte ihren Blick. »Ich habe in dieser Zeit Tausende von Kindern unterrichtet.« Sie seufzte. »Und jetzt habe ich nur noch das hier …« DI Insch empfahl sich vorsichtshalber, als die Tränen zu fließen begannen, doch Logan wusste, was sich in einer solchen Situation gehörte, und stand auf, um ihr eine Tasse Tee zu kochen. Der Wasserkocher war etwas verbeult, aber ansonsten funktionsfähig, und so schaltete er ihn ein und machte sich auf die Suche nach Teebeuteln. Er fand sie am Boden verstreut, neben dem umgekippten Mülleimer, vermischt mit Eier- und Kartoffelschalen und anderen Abfällen. Er suchte einen aus, der nicht allzu unhygienisch aussah – schließlich würde er ja mit kochendem Wasser übergossen werden –, und warf ihn in einen Becher, an dem der Henkel noch dran war. Während der Tee zog, stöberte er in den Schränken nach Zucker. Als er den Kühlschrank aufmachte, um die Milch herauszunehmen, fand er es: in einem großen, transparenten Plastikbeutel. Es sah ein bisschen aus wie frische Kräuter, nur dass es vermutlich nicht ganz so gesund war.
    Schritte knirschten auf den verstreuten Trümmern, und als Logan herumfuhr, stand Mrs. Kennedy vor ihm, ohne die Katze. Sie verkrampfte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder, während sie voller Entsetzen zusah, wie Logan sich aufrichtete und die Tüte mit »Kräutern« hochhielt. Er öffnete den Druckverschluss des Beutels und schnupperte vorsichtig am Inhalt.
    »Ich … ich kann alles erklären …«, stammelte sie leise und warf einen ängstlichen Blick in den Flur, wo ein uniformierter Constable mit einem großen Klemmbrett stand und eine detaillierte Aufstellung der Schäden machte. »Das ist für meine Arthritis …« Sie hob die zitternden Hände. »Und meinen Ischias.«
    »Wo kriegen Sie das her?«
    »Ich … Von einem meiner ehemaligen Schüler. Er sagte, es hätte seinem Vater geholfen. Er bringt mir ab und zu etwas vorbei.«
    »Das ist eine ganze Menge«, sagte er und schüttelte den Beutel. »Alles für Ihren eigenen Bedarf?«
    »Bitte, glauben Sie mir.« Wieder schossen die Tränen in ihre Augen. »Es hilft gegen die Schmerzen. Ich hatte nie die Absicht, gegen das Gesetz zu verstoßen!«
    Logan stand da und sah zu, wie die dicken Tränen über ihre Wangen kullerten und ein dünner Rotzfaden sich von ihrer Nase abzuseilen begann. Sie fummelte ein Taschentuch aus der Tasche, und er starrte auf ihre Hände: angeschwollene Gelenke, verkrümmte Finger, wie die seiner Großmutter in den letzten fünfzehn Jahren ihres Lebens. »Okay«, sagte er schließlich, legte den Beutel zurück in den Kühlschrank und schloss die Tür. »Ich werde keinem etwas sagen, wenn Sie auch nichts sagen.« Er ging und zog die Wohnungstür hinter sich zu. »FINGER WEG«: Wieso sprühte jemand so was an die Wohnzimmerwand einer alten Dame? Irgendwie rätselhaft. Nur dass der zugekiffte Idiot, der es dorthin gesprüht hatte, es vermutlich vollkommen logisch fand. Trotzdem …
    Der Himmel war von einem schmutzigen Taubengrau, als Logan aus der Haustür trat. Der weiß-orange lackierte Streifenwagen hatte das gleiche Publikum angelockt wie beim letzten Mal: ein Trio von kleinen Kindern, die den Polizisten staunend zusahen. Für sie musste es sein wie Fernsehen, nur live und direkt vor ihrer Haustür. Bestimmt konnte man da ganz aufregende Sachen beobachten …
    Logan überquerte die Straße, stieg die Stufen zu dem kleinen Grüppchen von Kindern hinauf und ging in die Hocke, damit sie nicht zu ihm aufschauen mussten. Zwei kleine Jungen, vier oder fünf Jahre alt, mit rotzverschmierten Nasen, großen blauen Augen und Topffrisuren, und ein kleines Mädchen in einem Kinderwagen. Sie konnte kaum älter sein als zwei: krause blonde Haare, zu Zöpfchen gebunden, Teddybär in der einen Hand, den anderen Daumen im Mund, die Kulleraugen auf Logan geheftet, als wäre er dreißig Meter groß. »Hallo«, sagte er so sanft und freundlich, wie er nur konnte, »ich heiße Logan. Ich bin Polizist.« Er nahm seinen Dienstausweis aus der Tasche und erlaubte

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