Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
sich durch die Liste der bekannten Sexualstraftäter kämpfen, um herauszufinden, ob Dr. Bushels lächerlich vages Täterprofil eventuell auf einen davon passen könnte. In der Einsatzzentrale war es zu laut, also klemmte er seine Papiere unter den Arm und machte sich auf die Suche nach einem ruhigeren Plätzchen. Alle anderen Büros waren belegt, aber Vernehmungsraum 4 war frei. Er beschlagnahmte ihn rasch und drehte den Schalter um, der das grüne Licht draußen vor der Tür auf Rot umspringen ließ: Vernehmung – Bitte nicht stören! Dann breitete er seine Akten und Ausdrucke auf dem ramponierten Tisch aus und machte sich daran, unter all den Vergewaltigern, Pädophilen und Exhibitionisten den Mörder zu finden. Selbst bei offenem Fenster war es zu heiß im Zimmer – Logan lockerte seine Krawatte, gähnte, stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte den Kopf in die Hände. Langsam begannen die Worte vor seinen Augen zu verschwimmen. Er blinzelte. Vergewaltiger. Blinzelte wieder. Vergewaltiger. Nickte kurz ein … blinzelte wieder. Pädophiler. Gähn. Blinzel, blinzel … Dunkelheit.
»Mmmmmpff ….?« Logan fuhr mit einem Ruck hoch und riss vor Schreck die Augen weit auf. Was zum Teufel war – Er zog sein Handy aus der Tasche, während er sich mit der anderen Hand den kleinen Spuckefaden abwischte, der ihm aus dem Mundwinkel hing. Blinzel, blinzel. Die Uhr an der Wand des Vernehmungsraums zeigte sieben Minuten nach fünf. Er hatte volle drei Stunden geschlafen. »Hallo?«, meldete er sich und gab sich alle Mühe, nicht so zu klingen, als wäre er gerade aufgewacht. Es war DI Insch.
In Mrs. Kennedys Wohnzimmer sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen: Tische und Stühle waren umgekippt, Bilder aufgeschlitzt, Fotorahmen zerbrochen, und von den Porzellanpudeln waren nur noch glitzernde Scherben auf dem Teppich übrig. Mrs. Kennedy saß auf einem Sessel mit zerrissenem Bezug und drückte die fette orange Katze an ihren Busen wie eine Rettungsdecke. Das Tier beäugte die Detectives, die mitten im Zimmer standen, mit feindseligem Misstrauen, die gelben Augen zu Schlitzen verengt, die Ohren angelegt.
»Nein, wirklich«, sagte die alte Dame zitternd, »ich will Ihnen doch keine Umstände machen. Mir geht es gut. Ehrlich …« Sie war zu der Zeit nicht zu Hause gewesen, aber die Nachbarn aus der Wohnung unter ihr hatten das Gepolter gehört und die Polizei gerufen. Sie konnten den Gedanken nicht ertragen, dass die arme alte Mrs. Kennedy da oben in einer Blutlache liegen könnte, mit eingeschlagenem Schädel! Sie meinten es ja gut, aber ihre Aussage erwies sich als komplett unbrauchbar. Sie hatten nichts gesehen, hatten nicht durch ihren Türspion gelugt, als die Übeltäter die Treppe heruntergekommen waren. Hatten nicht einmal aus dem Fenster geschaut, um zu sehen, ob sie in ein wartendes Auto, einen Bus oder ein Taxi gestiegen oder vielleicht auf einen zufällig vorbeikommenden Elefanten geklettert waren. Sie hatten Angst gehabt, dass jemand sie sehen könnte. Es war verdammt ärgerlich, aber Logan hatte Verständnis für ihre Vorsicht. Sie waren über siebzig – warum sollten sie es riskieren, von brutalen Gewaltverbrechern gesehen zu werden, die vielleicht wiederkommen würden, um sich an ihnen zu rächen? Stattdessen hatten sie sich möglichst unauffällig verhalten und die Polizei angerufen. Das war immer noch wesentlich mehr, als viele andere in ihrer Situation getan hätten.
Wer immer diese Vandalen gewesen waren, sie hatten ihr Möglichstes getan, um Mrs. Kennedys Versicherung zu ruinieren. Wohnzimmer, Küche und beide Schlafzimmer waren gründlich zu Kleinholz verarbeitet worden. Aber im Wohnzimmer fand sich ein merkwürdiges Detail, das in dem ganzen Bild der Verwüstung ein wenig fehl am Platz wirkte. Mitten auf die Wand gegenüber der Tür waren mit triefender oranger Leuchtfarbe die Worte » FINGER WEG !« gesprüht. »Haben Sie eine Ahnung, wovor die Sie warnen wollen?«, fragte Logan und deutete auf die knalligen Lettern an der Wand.
Mrs. Kennedy schüttelte den Kopf und drückte die Katze noch fester an sich, worauf diese sich zu winden begann. »Ich … nun ja, ich helfe mit, einen Jugendclub hier im Viertel zu organisieren – drüben in der Schule. Wir veranstalten Fußballturniere und Flohmärkte …«
»Hmm«, meinte Insch. »Nun ja, falls Sie da nicht in irgendwelche Revierstreitigkeiten zwischen verschiedenen Pfadfindergruppen hineingeraten sind, würde ich sagen, das können wir
Weitere Kostenlose Bücher