Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
an. Danny hob die Kamera, um ein Foto zu schießen. Die Frau drehte sich zur Wand und drohte mit dem Zeigefinger. Ibañez fasste Danny am Arm und führte ihn aus dem Zimmer. »Allison ist ein absolutes Arbeitstier, aber sehr schüchtern. Am Nachmittag arbeitet sie nicht so oft. Normalerweise bemannt – oder sollte ich sagen ›befraut‹ – sie nachts die Apparate. Sie ist ein Engel. So sympathisch. Und sie arbeitet so fleißig. Tagsüber unterrichtet sie die Kinder in den örtlichen Kitas in Englisch.«
»Woher kommt sie?«
»Sie ist Engländerin, aber sie spricht gut Französisch und perfekt Spanisch. Wie ich immer sage, sie ist das Rückgrat unserer Organisation.«
»Was ist mit Problemen?«
»Probleme?«
»Ein Verein wie dieser zieht doch sicher Säufer und Drogensüchtige an.«
Ibañez nickte. »Natürlich. Und wir bemühen uns redlich, ihnen die Hilfe zu geben, die sie brauchen. Aber wir verfahren nach sehr strengen Regeln. Jeder, der irgendwie berauscht wirkt – von welchem Stoff auch immer –, wird vor die Tür gesetzt.« Er strich sich über den sauber gestutzten Bart. »Hören Sie, ich würde lügen, wenn ich sagte, wir schwenken einfach einen Zauberstab und lösen die Schwierigkeiten der Leute im Nu. Sehr oft haben wir es mit Problemen zu tun, die unsere Möglichkeiten übersteigen. Aber jeder, der hierherkommt, erhält früher oder später garantiert irgendeine Form von Hilfe, auch wenn es nur ein offenes Ohr oder eine Schulter zum Ausweinen ist.«
Die beiden Männer verabschiedeten sich. Ibañez fragte, ob er den Artikel vor dem Druck lesen dürfe. Danny schüttelte den Kopf.
»Ich schreibe einen Artikel, Mr. Ibañez, keine Presseverlautbarung. Ich berichte, was ich gesehen und gehört habe, aber der Einzige, der ihn vor Drucklegung zu sehen bekommt, ist mein Herausgeber. Machen Sie sich keine Sorgen«, fügte er hinzu, als er Ibañez’ langes Gesicht bemerkte, »über eine Wohltätigkeitsorganisation schreibe ich keinen Verriss. Ich bin sehr beeindruckt von dem, was ich gesehen habe.«
Danny spazierte einmal um den Block. Danach sprach er mit den spanischen Ladenbesitzern zu beiden Seiten von Shelter All. Der junge Mann im Eisenwarenladen runzelte die Stirn bei der Erwähnung des Vereins, wollte aber mit einem Journalisten nicht reden. Die alte Frau in der Bäckerei hatte diese Skrupel nicht.
»Es ist eine Schande – diese Leute, die den ganzen Tag dort rumhängen. Vorgestern war einer da, der keine Schuhe anhatte. Seine Füße sahen aus wie Ziegenhufe, so schwielig waren sie.«
Danny wollte eben weiterfragen, als Leonard anrief. Seine Stimme sprudelte vor Aufregung.
»Rat mal, was ich eben herausgefunden habe?«
»Warum soll ich raten, wenn du es mir sowieso gleich sagst?«
»Du kannst ja so humorlos sein, Danny! Du hast mich überhaupt nicht verdient. Aber ich hab heut gute Laune, also zück Stift und Papier …«
10
Um eins war Danny wieder auf der Straße. Er fuhr zurück ins Almanzora-Tal. Leonard hatte ihm wichtige Informationen über Charlie Hacker gegeben. »Im Dorf El Pulpillo gibt’s einen Auswandererpub, den Hacker des Öfteren besuchte, um zu trinken. Die Wirtin heißt Irene Sparks. Es geht das Gerücht, dass Hacker erst kürzlich mit einem anderen Stammgast Streit hatte – Streit der angelsächsischen Art, wenn du weißt, was ich meine. Vielleicht könnte das dein Hammer-mann sein. Wie auch immer, wenn irgendjemand weiß, was da wirklich passiert ist, dann diese Sparks. Soweit ich weiß, ist sie ein schreckliches Klatschmaul.«
Man muss schon eins sein, um eins zu erkennen , dachte Danny beim Auflegen.
Das Dorf El Pulpillo lag auf halber Strecke ins Almanzora-Tal. El Pulpillos Hauptstraße – wenn man sie so nennen wollte – war hundert Meter lang. Es gab keinen Bürgersteig, nur eine weiße Linie auf dem brüchigen Asphalt, die Autos von Fußgängern trennte. Gummischwellen waren in regelmäßigen Abständen mit Stahlstiften in den Straßenbelag geschraubt, um die Leute vom Rasen abzuhalten. In diese Schwellen waren so breite Löcher geschnitten worden, dass ein Auto durchfahren konnte. Kaum eine andere Nation tolerierte behördliche Eingriffe ins Privatleben weniger als die Spanier.
Der Einfluss der Auswanderer war unverkennbar. Beim Friseur hing ein großes, handgemaltes Schild im Fenster: WIR SPRECHEN ENGLISCH . Ein Stückchen weiter unten gab es eine Fish-&-Chips-Bude und einen britischen »Supermarkt« mit Regalen voller britischer Importe:
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