Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
Haus teilen wollte? Würden sie ihn ausrauben?
Sie versuchte alles, um ihn zurückzuholen: Bestechung, Zwang, emotionale Erpressung, Piesacken, oft alles auf einmal. Sie kochte ihm seine Lieblingsgerichte. Dem war schwer zu widerstehen. Was das Essen anging, mochte Danny Braten und Specksandwiches so gern wie jeder Brite, aber die englische Küche konnte sich mit der spanischen nicht messen. Monatelang hatte die abuela ihn verwöhnt: mit Empanadas, Paellas, riesigen Salaten, gebratenem Fisch und starkem Kaffee.
Der Nachteil der spanischen Küche war, dass man so verdammt lang zum Essen brauchte: Das Mittagessen war der Dreh- und Angelpunkt des spanischen Familienlebens, etwas von großer Bedeutung, etwas, das Zeit und Ruhe brauchte. Der Gedanke, mittags nur schnell ein Sandwich im Gehen runterzuwürgen, war für die Spanier unvorstellbar, vor allem für die aus abuelas Generation. »Warum haben es die Leute in diesem Land nur immer so eilig?«, fragte sie oft.
Letztendlich holte ein leichter Schlaganfall seiner Großmutter Danny zurück. Freunde hatten ihn gehänselt, als er mit Anfang zwanzig wieder zu ihr zog. Aber auch in dieser Hinsicht war er durch und durch Spanier. Die abuela hatte sich in seiner Kindheit um ihn gekümmert, und als das Alter sie zum Krüppel machte, war es seine Aufgabe, sich um sie zu kümmern, für sie zu kochen, zu putzen und ihr Gesellschaft zu leisten. Und dann starb sie plötzlich. Er war einundzwanzig, gerade mal seit zwei Monaten Journalist und unversehens allein. Adriana Sanchez, die damals bereits in New York lebte, schickte einen Kranz und überließ Danny den Rest.
Nun erkannte er zum ersten Mal, wie fragil sein Familienleben gewesen war, mit einem Vater, den er nie kennengelernt hatte, einer flatterhaften Mutter, die immer unterwegs war, und einem Großvater, den er kaum gekannt hatte. Die abuela war die einzige Konstante. Und plötzlich war sie nicht mehr da. Er hatte niemanden mehr. Die Einsamkeit war ihm damals schier unerträglich erschienen.
Im Wohnzimmerfenster seines früheren Hauses betrachtete er sein Spiegelbild. Am Tag nach abuelas Tod hatte er dort gesessen, mit den Tränen gekämpft und schwarze Gedanken gewälzt, als es an der Tür klopfte: Ray Taylor, mit einer Flasche Whisky.
»Ich dachte mir, vielleicht brauchst du jemanden zum Reden.«
Das war das einzige Mal, dass Danny den Mann trinken sah. Sie saßen im Wohnzimmer, leerten die Flasche und rauchten Kette. Taylor war stumm, aber aufmerksam. Sie sprachen kaum ein Wort, aber in Dannys Erinnerung war dieser Nachmittag eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen er das Gefühl gehabt hatte, mit jemandem zu kommunizieren.
»Woher hast du es gewusst?«, fragte Danny, als die Flasche leer war und er Taylor schwankend zur Tür begleitete.
»Wir sind Reporter, Danny. Das ist unser Job.«
Und damit ging er zurück zur Arbeit, den Kragen seiner Lederjacke gegen den Wind hochgestellt. Erst als Taylor um die Ecke gebogen war, erkannte Danny die Bedeutung dieser wenigen Worte: Wir , unser.
Damals waren ihm die Tränen gekommen. Er war doch nicht ganz allein.
Und wie hast du dich revanchiert?
Der Gedanke kam mit unvermittelter Heftigkeit. In diesem Moment schien der Tag sich zu verdüstern. Er hatte gewusst, das würde passieren, wenn er zurückkehrte. Das schlechte Gewissen war immer da gewesen, hatte am Rand seines Bewusstseins gelauert. In Spanien war es diffus, hier konzentriert.
Danny. Ich muss reden.
Das waren Ray Taylors letzte Worte gewesen. Danny wusste es. Er hatte es nachgeprüft. Nachgeprüft mit der Sorgfalt eines professionellen Reporters, die nur Kummer und Verzweiflung hervorrufen konnte. Danny hatte mit jedem gesprochen, mit jedem verdammten Redaktionsmitglied, jedem Informanten, jedem Menschen, der ihm einfiel, den Taylor angerufen haben könnte.
Nichts.
Taylor hatte ihn und nur ihn angerufen. Er hatte ihn angefleht, und wie hatte er reagiert? Sorry, Ray, hab ziemlich viel zu tun. Kann ich dich zurückrufen, Ray? Wir reden morgen, Ray.
Nur dass es für Ray in diesem Augenblick kein Morgen mehr gab.
Denise hatte nicht recht. Es war seine Schuld. Es war immer seine Schuld gewesen.
Unsinn, dachte er. Er würde sich jetzt betrinken. Auf die englische Art: acht Pints und dann in einen Curryladen. Irgendwas, um den Schmerz zu betäuben.
Ohne sich umzusehen überquerte er die Straße. Oder genauer, er schaute in die falsche Richtung, eine Gewohnheit, von der man sich nach acht Jahren in Spanien
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