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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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»Aber was kann das sein? Meinst du, da droht Gefahr? Ist das ein Alarm?«
    »Ich weiß nicht«, sagte No. Er drehte den Kopf und lauschte. »Ich glaube, das ist eine Glocke.«
    »Eine Glocke?« Rufus verstand überhaupt nichts mehr.
    Auf dem Gang öffneten sich weitere Türen. Aus einer von ihnen kam Anselm, der rothaarige Lehrling. Er sah genauso verschlafen aus wie No und Rufus. Rufus hatte gar nicht gewusst, dass er sein Zimmer so nah bei seinem hatte.
    »Guten Morgen! Los, kommt!«, rief er Rufus und No zu. »Das ist das Zeichen zum Flutmarkt.« Er zog Rufus und No mit sich und ging Richtung Wendelrampe.
    »Zum was?«, fragte No verdattert. »Und was ist das für eine irre Glocke?!«
    »Nicht zu fassen«, stöhnte Rufus. »Das klingt eher wie ein Orkan!«
    Anselm grinste. »Saurini macht das immer so früh. Er sagt, dann haben wir danach noch den ganzen Tag Zeit für die Vorbereitung. Aber ich glaube, er ist selbst vor dem Flutmarkt so aufgeregt, dass er einfach nicht länger schlafen kann.«
    »Aha«, meinte Rufus.
    No schüttelte verwundert den Kopf. »Und warum hört man die Glocke von unten? Normalerweise kommen Glockentöne doch von oben.«
    Anselm sah No neugierig über die Schulter an. »Du hast recht«, erklärte er. »Das ist wirklich eine Glocke. Fast viertausend Jahre alt, aus der Shang-Dynastie, der zweiten Dynastie der chinesischen Geschichte. Sie ist aus Eisen. Damals wurden Glocken noch mit der Öffnung nach oben aufgestellt und zum Klingen von außen angeschlagen. Hängende Glocken stammen erst aus sehr viel späterer Zeit. Und ihr Klang tönt tatsächlich von unten zu uns herauf. Die Glocke ist der Ruf der Akademie, den Saurini aussendet, wenn sich alle in den Gewölben versammeln sollen. Weiter runter geht es in der Akademie nicht. Du hast echt ein gutes Gehör. Bist du Musiker oder so?«
    »Äh, nein«, antwortete No. »Ich höre das einfach nur.«
    »Du scheinst mit Tönen was anfangen zu können. Das ist keine besonders häufige Gabe. Musik kann bei Fluten manchmal ziemlich was bringen. Ich bin übrigens Anselm Lortz, wir kennen uns noch nicht.«
    »Du hast doch gestern beim Schmieden mitgemacht.«
    »Ja, stimmt! Wir machen gerade was mit Damaststahl. Das war Bents Idee!«
    Die drei Lehrlinge hatten die Wendelrampe erreicht, und Anselm zeigte auf den blonden Lehrling mit den braunen Augen und dem schmalen Mund, der so viel über Schwerter und Stahl gewusst hatte. Er stand am Ende des Gangs und schien auf Anselm zu warten. Auf der Wendelrampe herrschte gewaltiges Gedränge. Dutzende von Lehrlingen kamen aus den verschiedenen Fluren und gingen die Rampe hinunter. Rufus spürte, dass sie alle trotz der frühen Stunde aufgeregt und neugierig waren.
    »Los, der Flutmarkt!«, rief Bent Anselm entgegen. »Beeilung, wir müssen Coralia helfen.«
    Anselm blieb abrupt stehen. »Das war noch nicht abgemacht.«
    »Für mich schon!«
    Bent warf Rufus und No einen kurzen Blick zu und zog Anselm zur Seite. Aber Rufus konnte hören, wie er flüsterte: »Ich bekomme von ihr ein echtes Damaszener Schwert. Und sie bringt uns überallhin, wo wir wollen. Und nicht nur einmal. Das ist doch super! Du kannst dir auch was aussuchen.«
    »Aber sie hat noch nicht gesagt, was wir dafür tun sollen«, wehrte Anselm ab.
    »Es ist doch wohl nicht so schlimm, ihr mal ein paar Stunden bei der Ausgabe zu helfen«, zischte Bent zurück. »Oder bei irgend was anderem. Jetzt stell dich nicht so an! Du wirst dich später freuen, Ja gesagt zu haben.«
    Er packte seinen Freund am Ärmel und lief eilig mit ihm an den anderen Lehrlingen vorbei über die Wendelrampe nach unten.
    Rufus sah ihnen nach.
    No stieß ihn an. »Wo wollen die alle hin? Flutmarkt? Was ist das denn?«
    In diesem Moment kam Filine. »Hey!«, winkte sie. »Könnt ihr mir sagen, was hier los ist?«
    »Ja, Flutmarkt!«, grinste No.
    »Flutmarkt? Das habe ich noch nie gehört.«
    »Na, wenigstens mal etwas, das du nicht kennst!«, lachte No.
    Jetzt kamen auch Ottmar und Lucy die Rampe herunter.
    »Warum weiß keiner von uns, was ein Flutmarkt ist, Lucy?«, erkundigte sich Filine.
    Lucy kicherte. »Weil er seit ihr hier seid noch nicht stattgefunden hat. Die Flutmarktzeit wird immer nur mündlich mitgeteilt und nur vom Direktor persönlich. Die Flutmärkte sind nämlich nicht ungefährlich für die Akademie, und nur Saurini entscheidet, wann sie stattfinden. Kommt, wir müssen in die Gewölbe. Wenn ihr da noch nicht wart, dann werdet ihr jetzt etwas echt

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