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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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Ungewöhnliches zu sehen bekommen.«
    Rufus, Filine und No folgten Ottmar und Lucy bis zur Mensa. Direkt gegenüber stand eine schwere Holztür offen, hinter der eine Holztreppe nach unten führte.
    Die Lehrlinge betraten sie. Die uralte Treppe knarrte und ächzte unter den vielen Schritten.
    »Keine Angst«, beruhigte sie Ottmar. »Die Treppe hat bisher immer gehalten. An ihrem Fuß liegt eine vergessene Kirche, und darunter kommen dann die Gewölbe.«
    »Eine vergessene Kirche?«, fragte Rufus.
    »Ja«, gab Ottmar zurück. »Die meisten alten Städte haben unter sich mindestens noch eine weitere Stadt aus der Vergangenheit. Das ist hier in der Akademie nicht anders.«
    Sie stiegen weiter hinab und landeten schließlich wieder auf festem Boden, der mit schweren, gemusterten Steinplatten ausgelegt war. Durch eine weitere Wandöffnung gelangten sie in eine von Strahlern erleuchtete Halle. An den Wänden waren rötliche Fresken zu sehen, die von dunklen Rußspuren überzogen waren.
    »Das ist die alte Kirche«, erklärte Lucy. »Da geht es weiter.«
    Sie eilte voraus. Hinter der Kirchenhalle kam eine weitere Treppe nach unten. Diesmal war sie aus Stein, und die Stufen waren abschüssig und ausgetreten.
    »Wie tief geht denn das noch?«, fragte No. »Hier wird es ja immer kälter.«
    Er hatte recht. Je tiefer die Lehrlinge in die unteren Stockwerke der Akademie vordrangen, desto kühler wurde die Luft. Doch es dauerte noch einige Stufen, ehe Lucy und Ottmar stehen blieben.
    »Da sind wir«, verkündete Ottmar und deutete auf einen bogenförmigen Durchgang, hinter dem sich wieder eine große Halle erstreckte. »Willkommen in den Gewölben der Akademie. Ihr könnt euch in aller Ruhe umsehen, ich gehe mit Lucy schon mal zur Glocke. Und keine Eile – bevor nicht alle da sind, fängt Saurini nicht an.«
    Mit diesen Worten verschwanden Lucy und Ottmar in der Menge der Lehrlinge und überließen Rufus, Filine und No ihrem Staunen.

Flutmarkt
    Die Räume, in denen Direktor Saurini die Mitglieder der Akademie zusammengerufen hatte, glichen in nichts irgendeinem anderen Teil der Akademie, den Rufus bisher gesehen hatte. Außer vielleicht darin, dass sie wie viele der Säle sehr hohe Decken hatten.
    Beim Betreten des Gewölbes hatte Rufus das gleiche Gefühl, das einen überkommt, wenn man von einer engen Gasse in eine Kirche eintritt. Es war kühler als an anderen Orten der Akademie und über ihm öffnete sich plötzlich eine Art steinerner Himmel. Nur, dass dieser Himmel nicht wie eine Kirchendecke ausgemalt oder in irgendeiner Form verziert, sondern glatt und grau war. An den Wänden hingen große Fackeln, die ihren Feuerschein in das Gewölbe warfen. Rufus folgte den gewaltigen Bögen mit den Augen. Sie erstreckten sich über mehrere Durchgänge weit nach hinten und bildeten so eine dunkle Flucht.
    Er ging tiefer in das Gewölbe hinein. Eine Vielzahl von Artefakten lag in Vitrinen, auf Podesten, in hohen Regalen oder auf Tischen. Es war eine schiere Unzahl an Dingen, so viele, wie Rufus sie selbst auf seinen früheren Streifzügen durch das Museum noch nicht gesehen hatte. Sie waren geordnet, aber nicht nach Herkunft oder Art, sondern, wie er an einer Tafel neben einem Regal erkannte, nach der Jahreszahl ihres Auftauchens in der Akademie.
    Staunend lief er an ihnen vorbei. Er sah sich nach No und Filine um. Den beiden schien es ähnlich zu gehen. Auch sie schritten mit großen Augen die Regale ab.
    Rufus betrachtete die Jahreszahlen und die Dinge auf den Regalbrettern. Je weiter er in die Gewölbe vordrang, desto länger lag ihr Auftauchen zurück. Wo sein Blick auch hinfiel, erblickte er Dinge, die er in seinem ganzem Leben noch nicht gesehen hatte. Und nichts davon wirkte alt. Jedes dieser Artefakte strahlte mit einer Kraft, als sei es eben erst entstanden. Gemacht worden, verbesserte sich Rufus. Denn alles hier war Menschenwerk.
    Dies musste eine Art Magazin der Akademie sein, wurde Rufus jetzt klar. Ein Ort, an dem viele oder vielleicht sogar die meisten der Artefakte, die mit den Fluten in die Akademie gelangt waren, aufbewahrt wurden. Es war überwältigend. Schon die Artefakte, die aus den letzten erfolgreichen Fluten stammten und sich in der Aula befanden, verliehen dieser etwas Besonderes.
    Doch in den Gewölben war es noch einmal ganz anders.
    Über den Artefakten in den hohen Räumen lag kein warmes Licht wie in der von vielen Lampen beleuchteten Aula. Sie lagen in einem dämmrigen Halbschatten, und es herrschte

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