Die Stunde des Raben
Elternbesuchstag statt.«
Der Direktor nickte kurz und sah sich unter allen Anwesenden um.
»Im Moment ist keine Flut im Gange. Ist das richtig?«
Da niemand sich meldete, fuhr er fort:
»Gut! Sollte in den kommenden Tagen eine Flut einsetzen, macht euch keine Sorgen. Eure Eltern würden am Besuchstag nichts davon bemerken, abgesehen von Coralias Eltern, die selbst Akademiker und jung genug sind. Die Händler sind zudem in aller Regel älteren Semesters und nicht unbedingt flutfähig. Sollte jedoch einer von ihnen zufällig mit euch in eine Flut geraten, müsstet ihr ihn natürlich in eure Flutgruppe aufnehmen. Falls ihr allerdings vor dem Markt noch in eine Flut geratet, versucht, die Flutgruppe klein zu halten, das macht es allen leichter.
Der Besuchstag wird dann ein Tag der offenen Tür sein, an dem neben euren Eltern auch andere Gäste in die Akademie kommen werden. Ein Flohmarkt ist immer ein Magnet für die Menschen. Das ist gut für uns, denn je mehr Wirbel herrscht, desto weniger fallen auch euren Eltern ungewöhnliche historische Artefakte auf. Nichts verbirgt das Ungewöhnliche mehr als ein Jahrmarkt. Und je bunter und lebendiger der Flutmarkt ist, desto weniger werden sich eure Eltern für die Akademie selbst interessieren.«
Direktor Saurini hob den Kopf und lächelte charmant.
»Lasst euch nicht davon abhalten, den Markt mit euren Eltern zu besuchen. Er wird im Dogenhof aufgebaut sein, im ersten Hof hinter dem Eingangsgebäude.
Und nun nehmt bitte die euch zugeteilten Artefakte von den Lehrlingen an der Ausgabe entgegen. Lasst euch diese Möglichkeit, euch mit dem materiellen Wert der Dinge zu beschäftigen, nicht entgehen. Nur wer diesen merkantilen Teil der Welt gut beherrscht, wird die Akademie auch in Zukunft nach außen so vertreten können, dass es sie weiter geben wird. Seid euch dieser Verantwortung bewusst und unterschätzt die Macht des Geldes nicht: Mit Geld lässt sich die Wirklichkeit verändern! Wir können es nutzen, um die Akademie zu erhalten und zu verbergen, um unsere Arbeit zu tun, um alles hier zu stimulieren.«
Oder auch dazu, dies alles zu ruinieren, dachte Rufus plötzlich. Gleichzeitig erschrak er über seinen Gedanken.
In diesem Moment sah Direktor Saurini Rufus plötzlich direkt in die Augen. Er nickte ernst und wies mit der Hand auf den tresenartigen Tisch.
»Holt euch jetzt eure Artefakte.«
Rufus, No und Filine stellten sich in die Schlange der Lehrlinge, die sich schnell vor dem Tresen bildete.
»Mann, haben die das alle eilig«, flüsterte No seinen Freunden zu. »Ich meine, nichts dagegen, Handeln auf dem Flohmarkt mit wertvollen alten Gegenständen ist ja ganz okay. Aber ich würde, ehrlich gesagt, doch lieber an meinem Holz weiterforschen.«
Filine sah ihn mit einem spöttischen Ausdruck an.
»Haushaltskunde gehört eben dazu. Und ich freue mich schon auf die Verhandlung mit meinem Händler. Ich habe so was noch nie gemacht!«
»Haushaltskunde«, No verdrehte die Augen. »Das klingt wie Wäschewaschen und Bügeln.«
»Wir können ja trotzdem weiter an deinem Holz arbeiten«, schlug Rufus vor. »Für mich sind das hier einfach Hausaufgaben, die man eben machen muss. Das geht bestimmt einigermaßen schnell.«
»Hoffentlich!«, stöhnte No und rückte mit der Schlange weiter nach vorne.
Hinter dem Tresen kam Coralia in Sicht. Sie stand wie eine Verkäuferin hinter dem hohen alten Tisch und reichte jedem der Lehrlinge ein Artefakt. Hinter ihr standen Bent und Anselm, denen Coralia ab und zu etwas zurief, worauf sie an eines der Regale gingen und von dort etwas holten.
»Schon wieder Coralia«, stöhnte einer der Lehrlinge ein Stück vor ihnen. Es war ein braunhaariger Junge mit langen Haaren, die ihm wirr über die Augen fielen. »Hat sie das nicht schon letztes Jahr gemacht?«
»Ja, ich glaube, sie meldet sich dafür immer freiwillig«, sagte der Junge neben ihm. »Ich schätze, sie findet das toll, alles einmal in der Hand gehabt zu haben, was dann verkauft wird. Weißt du noch, wie sie sich vor ein paar Monaten wochenlang dafür eingesetzt hat, dass die Kataloge dieser Auktionshäuser auch ganz bestimmt in die Bibliothek kommen, nur damit sie endlich die neuesten Preise studieren konnte?«
»Stimmt, ja.« Der Erste verdrehte die Augen. »Mit ihrer extrem merkantilen Ader bringt sie Direktor Saurini jedes Mal zur Weißglut.«
Rufus hätte gerne noch weiter zugehört, aber in diesem Moment rückte die Schlange nach vorn, und die beiden Lehrlinge
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