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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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lediglich zu etwas mehr Vorsicht und Verantwortung auf.
    Nun, und dann hat dieser Aspekt auch auf eine weitere Art sein Gutes. Bereits die Gebrüder Micheluzzi haben festgestellt, und euch wird es nicht anders ergehen, dass in einem Raum, in dem sich mehrere durch Fluten gewonnene Artefakte befinden, eine besondere Atmosphäre entsteht, die das Forschen in der Geschichte begünstigt. Es ist beschriebenermaßen in den Gewölben einfacher, über historische Fragen nachzudenken. Viele wichtige Erkenntnisse wurden hier gewonnen und beschrieben. Deswegen findet ihr in den Räumen auch Arbeitstische. Erlaubt sind aber nur Kerzenlicht oder Öllampen, kein elektrisches Licht. Jeder Lehrling hat außerdem im Monat nur eine begrenzte Stundenzahl zur Verfügung, die er hier verbringen darf. Darüber führen ich und die Meister Buch. Wir dürfen die Artefakte, die hier lagern, vor ihrem zweiten Schritt in die Welt nicht zu vielen heutigen Einflüssen aussetzen. Und zu denen müssen wir uns nun einmal auch zählen. Deswegen sollten wir uns immer wieder besinnen, was wir tun und warum wir es tun …«
    Der Direktor machte eine kurze Pause.
    »So wie die Artefakte nach ihrem Auftauchen nicht selbstverständlich in der Welt bleiben, hängt auch das Überdauern der Akademie unter anderem davon ab, dass die Artefakte an öffentliche Orte gelangen, an denen Menschen sie mit echtem Interesse betrachten können. Denn unter diesen Neugierigen finden wir neue Akademiker.« Er warf Rufus einen Blick zu. »Und so kann das historische Interesse der Menschen weiterleben. Deswegen nun zu dem, was uns heute hier zusammenführt …«
    Der Direktor winkte Coralia, Bent und Anselm zu, die nahe an seinem Rednerpult standen und sich auf sein Zeichen zu einem hohen, tresenartigen Tisch begaben, der vor einigen gut gefüllten Regalen stand und auf dem ein großes, aufgeschlagenes Buch lag.
    »Die Artefakte«, sprach Saurini weiter, »müssen in die Welt. Und ihr wisst, dass die Akademie für sich alleine in der heutigen Welt nicht bestehen könnte. Sie wäre nur ein altes Haus, das irgendwann von irgendeinem Investor gekauft und abgerissen werden würde, um hier etwas Neues zu errichten. Darum brauchen wir zum Überleben Geld. Ohne Geld ließen sich die Gebäude nicht erhalten, die Steuern nicht zahlen. Wasser, Strom, Lebensmittel, alles, was wir zum täglichen Bedarf benötigen, wären nicht zu bekommen. Schließlich sind wir keine Zauberer …«
    Einige der Zuhörer kicherten.
    Der Direktor schmunzelte ebenfalls. »Was natürlich nicht ausschließt, dass wir in den historischen Fluten auf solche stoßen, wenn sie auch meist nur mit gewöhnlichem Wasser kochen!«
    Die Lehrlinge und Gesellen lachten fröhlich auf.
    Der Direktor hob die Hand, und es wurde wieder still.
    »Dieses Geld erhalten wir durch den Verkauf einiger Artefakte. Ihr wisst, dass uns vor allem daran gelegen ist, die Artefakte in die Museen zu bringen, um sie dort vielen Menschen zugänglich zu machen. Doch Museen verfügen nur selten über üppige Mittel. Wir können nicht jedes Artefakt, welches wir finden, dort unterbringen. Es würde zudem sehr bald auffallen, wenn wir diese wenigen Orte mit allzu reichen Schätzen ausstatten. Darum muss die Akademie einige der Artefakte an Privatpersonen verkaufen.«
    Rufus sah auf. Das hatte er nicht gewusst. Einzelne Leute konnten die Artefakte kaufen?
    Doch Saurini fuhr schon fort: »Dabei gilt, wie schon auf dem Weg in die Museen, je unauffälliger ein Artefakt in der Welt auftaucht, desto sicherer ist es für die Akademie. Uns ist klar, dass, wenn ein skrupelloser Mensch mit genügend Geld und Macht dahinterkäme, dass wir eine mögliche Quelle des Reichtums darstellen, dieser Mensch der Akademie auf kurz oder lang äußerst gefährlich werden könnte. Die Verlockung, sich der Schätze der Akademie zu bemächtigen, wäre für so einen Menschen möglicherweise zu groß, als dass er ihr widerstehen könnte!«
    Neben Rufus nickte Filine. »Natürlich wäre das so«, murmelte sie. »Es wäre sogar noch viel schlimmer. Denn sobald ein Krokodil auftaucht, wird seine Macht auch geschätzt.«
    »Was soll das denn heißen?« No sah sie erstaunt an.
    »Das ist doch wohl klar«, flüsterte Filine. »Wenn ein gieriger Tyrann die Macht hier übernehmen würde, dann fänden sich auch bald Lehrlinge, die für ihn arbeiten. Das lehrt uns ja wohl die Geschichte. Die Akademie würde sich ziemlich sicher in eine Art Kaufhaus für die Vergangenheit

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