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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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erzählen. Aber dann hielt ihn etwas zurück. Das Traumbuch, das Minster ihm gezeigt hatte, und der seltsame Traumfänger. Und genau davon hatte Coralia auch gesprochen. Sie hatte gewusst, dass seine Träume keine gewöhnlichen Träume waren. Bis Minster ihm im Gewölbe den Traumfänger gezeigt hatte, war Rufus sich sicher gewesen, dass Coralia einfach nur ehrgeizig war. Aber jetzt fragte er sich, ob er sich irrte. Sie hatte gesagt, dass er etwas könne, etwas Besonderes …
    Er musste herausfinden, was sie gemeint hatte. Und er hatte das Gefühl, dass er das alleine tun musste, so gerne er auch mit No und Filine darüber gesprochen hätte. Die beiden mochten Coralia überhaupt nicht. Und vielleicht hatten sie auch recht damit. Aber solange Rufus nicht wusste, um was es ging, wollte er das alles lieber für sich behalten. Und um das herauszufinden, wollte er als Erstes das Traumbuch in der Bibliothek suchen.
    Er packte den Griff der Kiste. »Lasst uns weitergehen! Auf uns wartet noch eine Menge Arbeit.«
    No hob die Hände. »Moment! Ich habe eine Idee. Mir ist gerade eingefallen, dass man keine Eulen nach Athen tragen soll!«
    Filine lachte auf. »Oh, No! Das klingt ja so gebildet. Aber was meinst du damit?«
    »Ich meine, wir sind viel näher an unseren Zimmern als an der Bibliothek. Wir könnten doch die Kiste und die beiden anderen Artefakte zu Filine bringen. Und dann holen wir uns einfach die Bücher oder Kataloge aus der Bibliothek dahin!«
    »Okay, wir bringen jetzt die Truhe weg, und anschließend hole ich die Bücher von Meisterin Iggle«, bot sich Rufus schnell an.
    Filine nickte. »Einverstanden!«
    Zu dritt trugen sie die schwere Truhe unter heftigem Schnaufen und Keuchen in Filines Zimmer im Mädchentrakt.
    Dann machte sich Rufus auf den Weg in die Bibliothek.

Roudo
    So voll hatte Rufus die Bibliothek noch nie erlebt. Dutzende von Lehrlingen saßen an den Tischen und studierten. Dazwischen sauste Meisterin Iggle umher wie eine wild gewordene Wespe. Ihre olivfarbene Haut glänzte und ihre schwarzen Locken mit den weißen Stellen fielen ihr vor die Augen.
    »Die Kataloge aus dem 17. Jahrhundert stehen im achten Gang hinter der Harfe, Lucy! Bring bitte gleich zwei, Ottmar wollte auch einen. Und wer von euch heute noch nicht gefrühstückt hat, soll nur nicht auf die Idee kommen, das hier nachzuholen! Es herrscht absolutes Essverbot in der Bibliothek. Das gilt für alle außer für Minster und ihre Radiergummis.«
    »Kann ich die Bücher auch ausleihen und mitnehmen, Meisterin Iggle?«, fragte Rufus.
    »Aber natürlich!« Meisterin Iggle hob die Arme über den Kopf. »Aber mach keine Butterflecken auf die Seiten! Ottmar hat das neulich getan und mich zur Weißglut getrieben.«
    »Ich esse überhaupt keine Butter«, erklärte Ottmar würdevoll, der neben der Harfe stand. »Und ich esse auch nie beim Lesen. Der Fettfleck neulich auf einem Buch kam von einem Experiment mit alten Öllampen.«
    »Ha, ha, bestimmt hast du wieder nach Aladins Wunderlampe geforscht!«, rief Borgos aus einem den Gänge.
    Die Meisterin schüttelte den Kopf und eilte davon.
    Rufus trat in den Hauptgang und folgte anderen Lehrlingen, die wie auf einer Ameisenstraße zu den Katalogen strömten. Verstohlen blickte er sich nach Minster um. Aber die Bisamratte war nirgends zu entdecken. Bei diesem Gewimmel konnte es auch gut sein, dass sie erst gar nicht zum Vorschein kam. Rufus hatte sich überlegt, dass er kurz die Kataloge zusammensuchen und sich dann auf die Suche nach Minster machen würde. Doch ganz so schnell, wie er gedacht hatte, ging es nicht. In den Quergängen flogen die Bücher nur so durch die Hände der Lehrlinge, und Rufus sah, dass es weit mehr solcher Werke gab, als er vermutet hatte. Es handelte sich um viele hundert Jahrgänge von Preislisten, in denen die Verkaufserlöse auf Auktionen, geheime Museumsankaufslisten und die Gebote reicher Sammler und Händler für wertvolle Stücke bei Erbschaftsauflösungen oder Wohltätigkeitsveranstaltungen notiert waren.
    In diesem Moment kam ihm Lucy entgegen, mehrere Bücher auf dem Arm. »Ich freue mich schon auf den Flutmarkt«, lächelte sie. »Die Händler sind verrückte Typen! Das macht immer Spaß, mit denen zu feilschen.«
    »Ja?«, fragte Rufus überrascht.
    »Aber sicher!« Auf Lucys schiefem Gesicht breitete sich ein verheißungsvolles Grinsen aus. »Die meisten von ihnen treiben sich das ganze Jahr über in der Welt rum. Sie haben viele Geschichten zu erzählen, und

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