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Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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viel zu schnell, er hatte Mühe, so schnell zu schlucken, und verschluckte sich schließlich so heftig, dass er keine Luft bekam und von einem panischen Hustenanfall geschüttelt wurde. Sein Kopf drohte zu zerspringen.

    Als er sich beruhigt hatte, waren die Person und die Tasse verschwunden, und er sah ein neues Bild an der Wand. Es zeigte ein Gebilde aus dem Weltall, den großen Orionnebel mit dem berühmten Trapez aus vier heißen, jungen Sternen.
    Der Lautsprecher hinter ihm begann leise zu rauschen. »Sie werden sehen, dass die Zeit nicht rückwärtslaufen kann, Herr Tretjak«, sagte die Stimme. »Und Sie werden sehen, dass man nichts von dem, was geschehen ist, ungeschehen machen kann.« Tretjak wartete auf weitere Sätze, aber es kamen keine mehr. Der Lautsprecher hörte auf zu rauschen, die Stimme schwieg.

    Der Orionnebel glich einer grünlichen Fledermaus im Flug durch das schwarze Weltall. 1300 Lichtjahre entfernt, spuckte Tretjaks Gehirn aus. Das grünliche Licht benötigte also 1300 Jahre, um die Entfernung zurückzulegen. Pro Sekunde legte das Licht 300000 Kilometer zurück. Im Weltall waren 1300 Lichtjahre keine Distanz, eher das Gegenteil, der Orionnebel war zum Greifen nah, ein Nachbar sozusagen, dachte Tretjak. Er versuchte, seinen Verstand auf diese Fakten zu konzentrieren. Ihn sich dort im All ein wenig ausruhen zu lassen.
    »Du bist gefühllos«, hatte sein Therapeut Stefan Treysa einmal zu ihm gesagt, »nicht nur anderen, sondern auch dir selbst gegenüber.« Und sein Therapeut war angetreten, das zu ändern. Tretjak hoffte sehr, dass es ihm noch nicht gelungen war. Es war sein letzter Gedanke, bevor er wieder einschlief.

2
    Fifth Avenue
    Angefangen hatte es mit einem Brief der Journalistin Carola Kern vor genau neun Jahren, vier Monaten und siebzehn Tagen. Der entscheidende Satz in diesem Brief lautete: »Nach meinen Recherchen sind weite Teile des Vermögens Ihres Großvaters in Ihr Bankhaus geflossen, nach meinen Informationen rund 200 Millionen Mark – was sagen Sie zu dem Vorwurf, Ihr Geschäft sei aufgebaut auf den Millionen eines Massenmörders?«
    Wie es dieser Journalistin wohl heute ging? Ob sie es jemals bereut hatte, ihren Beruf aufzugeben? Hübsch war sie gewesen, damals, ausnehmend hübsch, sie hatten sie beschatten lassen, wochenlang, sie hatten Hunderte von Fotos von ihr gehabt, ein paar Nacktbilder waren auch dabei, geschossen an einem Sommerabend, beim Baden an einem entlegenen See. Ein Mann war keiner dabei gewesen, überhaupt war kein fester Begleiter an ihrer Seite aufgetaucht, eher mehrere Männer, mal dieser, mal jener. Was die schöne Carola heute so trieb? Würde ihn wirklich interessieren. Ob sie damals geahnt hatte, in welcher Gefahr sie war? Man hatte ernsthaft überlegt, ob man einen brutalen Sexualmord inszenieren sollte, dem sie zum Opfer gefallen wäre. Es könnte ihn durchaus reizen, ihr das eines Tages zu erzählen und ihr dabei tief in die Augen zu schauen, dachte der Mann, dessen Name nun seit neun Jahren Tretyak lautete.

    Er stand im 22. Stock eines Gebäudes an der Fifth Avenue in New York und blickte aus dem Bürofenster auf den Central Park. Wobei er nicht viel sah vom Park – es wurde schon dunkel –, sondern hauptsächlich sich selbst, in der Scheibe gespiegelt. Normalerweise versetzte ihn sein Spiegelbild immer in gute Stimmung, er hielt sich für einen außerordentlich gutaussehenden Mann. Doch diesmal funktionierte es nicht. Er blickte ein paarmal hin, aber sah jedes Mal einen Fremden, der nichts mit ihm zu tun hatte. Ein merkwürdiges Gefühl. Woher kam das?
    Der Brief der Journalistin war der Anfang gewesen. Damals lebte er in Heidelberg, hatte eine Verlobte und war persönlich haftender Gesellschafter der kleinen, aber feinen Heidelberger Privatbank »Haller & Koch«, einer Bank mit Milliardenumsätzen, die sich um das Geld der Reichsten des Landes kümmerte. In Wahrheit gehörte ihm die Bank, ihm, Patrick von Kattenberg, zum Top-Banker ausgebildet in den USA und London, in Mumbai und Shanghai. Er sprach acht Sprachen, darunter drei verschiedene chinesische Dialekte. Er wollte »Haller & Koch« zur größten Privatbank der Welt machen. In seinen Zielen war er nie durch Bescheidenheit aufgefallen, doch Diskretion galt ihm dabei als oberstes Gebot. Und das ging erheblich weiter als üblicherweise im Bankgeschäft. Diskretion bedeutete in seinem Fall vor allem, dass er nie auftauchen durfte, dass er immer im Hintergrund bleiben musste.

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