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Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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Information: Dieses Bild war seitenverkehrt, gekontert, wie früher ein falsch eingelegtes Dia. Die dritte Information kam von unterschiedlichen Stellen seines Körpers, es war eine unangenehme Information, die sich nach vorn drängte: Schmerz. Sein Genick und sein Hinterkopf schmerzten, sein rechter Ellenbogen schmerzte, seine Hüftknochen, seine rechte Hand. Der Schlaf nahm ihm diese Information wieder weg, aber die Schlafphasen wurden kürzer, die Zeiten dazwischen länger. Allmählich setzte Gabriel Tretjaks Gehirn die Informationen zusammen, und er begriff seine Situation.

    Er befand sich auf einer Art Liegestuhl, festgeschnallt an Armen und Beinen. Sogar sein Kopf war irgendwie fixiert, er konnte ihn nicht drehen, weder nach links und rechts noch nach oben und unten. Vor ihm eine Wand, auf die das Foto des Gartens projiziert war. Der Lichtstrahl des Beamers kam von hinter ihm, lief gerade über seinen Kopf auf die Wand zu. Sonst war der Raum dunkel, er konnte nicht sehen, wie groß er war. Einen Geruch konnte er feststellen, der ihm bekannt vorkam, aber es fiel ihm nicht ein, woher. Die Kopfschmerzen waren fast unerträglich, sein Mund fühlte sich an, als hätte er ein ekelhaftes Tier darin. Wie ein trockener Lehmklumpen lag seine Zunge am Gaumen, und sie schien zu wachsen, sich auszudehnen. Zahnarzt? War das der Geruch? Ein Hauch von Zahnarzt? Dieser gekippte Stuhl, war das ein Zahnarztstuhl? Sein irritiertes Gehirn verfolgte den Gedanken: Er musste dringend seine untere Brücke erneuern lassen, hinten rechts, das stand schon seit einem halben Jahr an, aber er hatte keine Lust gehabt, deshalb nach München zu fahren. München, Maccagno … Unscharf zogen seine Gedanken von Wort zu Wort. Stand er unter Drogen? Wo war er eigentlich? Genf? Er war doch in Genf gewesen … Sein Freund Lichtinger hatte immer gute Zähne gehabt, eine weiße, blitzende Festung im Mund … Wann hatte das Bild an der Wand gewechselt? Da stand jetzt Lichtinger, grinsend, auf seinem ausgestreckten Unterarm saß ein riesiger Raubvogel, der aus unergründlichen Augen in die Kamera blickte.
    Gabriel Tretjak hatte in seinem Leben nie Schläge bekommen, schon als Junge hatte er sich nicht geprügelt, niemals. Er war in seinem Leben durchaus in gefährlichen Situationen gewesen, aber er hatte keine Erfahrung mit Schmerzen, die durch Schläge entstehen. Aber dieser pochende Schädel und das heiße, harte Genick, das schon weh tat, wenn er nur die Augen drehte – so musste sich das anfühlen, wenn man mit einer Eisenstange einen übergebraten bekommen hatte. War er dann gestürzt? Auf die rechte Seite?

    Als er das nächste Mal aufwachte, sah er an der Wand das Bild einer Frau mit einem langen Zopf. Sein Gehirn fand den Namen relativ schnell. Welterlin, Sophia Welterlin. Sie nahm von einem Mann im Anzug etwas entgegen, eine Urkunde vielleicht. Fass die Vergangenheit nicht an … Die Schmiererei in ihrer Küche. Tretjak erinnerte sich, dass er dort gesessen hatte, im Dunkeln mit dem Telefon. Und dann? Was war dann passiert?
    Es war vollkommen still in diesem Raum hier, nur die Lüftung des Beamers surrte leise.
    »Sie werden jetzt erfahren, was mit Ihnen geschehen wird«, sagte plötzlich eine Stimme. Es war eine Frauenstimme, ihr Tonfall war ruhig und freundlich. Gabriel Tretjak erkannte sie sofort, jeder erkennt sie sofort, dachte er, diese Art von Stimme. Sie kam aus Navigationssystemen, man hörte sie in Warteschleifen, man konnte sich von ihr seine E-Mails vorlesen lassen. Sie kam von schräg hinter ihm im Raum, dem Klang nach aus einem kleinen, billigen Lautsprecher, der etwas übersteuert war.
    »Ich werde Sie verhungern lassen«, sagte die Stimme, absurd sympathisch, als würde sie angeben: »In einhundert Metern bitte links abbiegen.«
    Ich werde Sie verhungern lassen … Im Kreisverkehr bitte sterben …
    »Flüssigkeit werden Sie erhalten«, fuhr die Stimme fort. »Aber essen werden Sie in Ihrem Leben nie mehr. Den Zeitpunkt Ihres Todes werden wir genau auf den Zeitpunkt des Experimentes im CERN legen. Genau bei t 0 wird das Experiment Ihres Lebens ein Ende haben.« Der Lautsprecher knackte, und plötzlich war es stockdunkel, weil der Beamer abgeschaltet worden war.

    Tretjak hörte, dass sich hinter ihm eine Tür öffnete, er nahm einen leichten Luftzug wahr, hörte ein paar Schritte, dann drückte ihm jemand von hinten etwas hart in den Mund. Es war offenbar eine Art Schnabeltasse, und das Wasser begann sofort zu fließen,

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