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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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riskierte einen Blick. In der Küche war niemand zu entdecken. Die Tür zum Flur war geschlossen.
    «Wir gehen jetzt rein», murmelte Clemencia. Sie schlug mit dem Eisen die Glasreste aus dem Rahmen und schwang sich durch. Die Scherben knirschten unter ihren Sohlen. Während sie zur Tür hin sicherte, quälte sich Angula durchs Fenster. Auf dem Tisch stand noch das Frühstücksgeschirr. Zwei Gedecke. Es war nicht schwer zu erkennen, wo Oshivelo und wo seine Frau gesessen hatte. Clemencia stippte den Finger in die Tasse. Der Rest Kaffee war noch nicht ganz kalt.
    Angula knurrte irgendetwas. Er war schon an der Tür zum Flur. Als Clemencia ihre Position erreicht hatte, drückte er die Klinke, stieß die Tür auf. Rechts war der Eingang, links ging es weiter. Clemencia querte den Flur, und da hörte sie ein ersticktes Stöhnen. Als ob jemand gerade erdrosselt würde. Sie erstarrte in der Bewegung, hielt den Atem an. Angula nickte und glitt unhörbar an ihr vorüber. Das Stöhnen war aus dem ersten Zimmer rechts gekommen, dessen Tür einen Spalt breit offen stand. Ein dünner Streifen grauen Tageslichts fiel durch ihn auf den Boden des Flurs. Angula huschte darüber hinweg auf die andere Seite. Clemencia tastete sich an der Wand entlang. Der Pistolengriff fühlte sich feucht an. Angulas verbundener Arm griff um den Türstock und ließ die Tür langsam aufschwingen. Der Lichtstreifen auf dem Boden wurde breiter.
    «Polizei», rief Clemencia. Ihre Stimme hörte sich falsch an.
    «Hände über den Kopf und langsam herauskommen!», rief sie. Ein dumpfes, gequältes Stöhnen antwortete ihr. Clemencia deutete auf Angula, dann auf ihre Pistole und dann in Richtung des Zimmers. Angula begriff. Er richtete seine Waffe in den Raum, ohne mehr als seine Hand sehen zu lassen. Auf der anderen Seite der Tür streckte Clemencia den Kopf vor. Unter dem Fenster stand quer ein Doppelbett. Auf ihm lag Oshivelo, das Gesicht Clemencia zugewandt, die Augen weit aufgerissen, im Mund einen Knebel, der mit Klebeband fixiert war. Handgelenke und Beine waren gefesselt und am jeweiligen Ende des Bettgestells festgebunden.
    Clemencia rührte sich nicht. Der Kleiderschrank rechts, der tote Winkel hinter der Tür. Sie fragte: «Verstehen Sie mich, Chef?»
    Oshivelo nickte.
    «Nicken Sie noch einmal, wenn außer Ihnen jemand im Raum ist!»
    Oshivelo schüttelte heftig den Kopf.
    «Möglicherweise irgendwo anders im Haus?»
    Oshivelo verneinte wieder. Clemencia glitt um den Türstock, zielte mit der Waffe nach links, in den toten Winkel. Ein Stuhl, ein Hometrainer, ein Spiegel an der Wand. Clemencia wandte sich um. Angula öffnete gerade die Türen des Kleiderschranks. Alles klar, das Zimmer war sicher. Angula behielt den Flur im Auge, während Clemencia Oshivelos Knebel entfernte und sich dann an die Wäscheleine machte, mit der seine Hände festgebunden waren.
    Oshivelo atmete tief durch und sagte: «Er ist weg.»
    «Wie lange schon?»
    «Eine Stunde höchstens. Und er hat meine Frau als Geisel.»
    Clemencia hatte Oshivelos Frau zwei-, dreimal gesehen. Eine junge Schönheit, deretwegen er sich nach fünfundzwanzig Jahren Ehe hatte scheiden lassen. Im Präsidium war damals gemunkelt worden, dass sie mal bei einer Miss-Namibia-Wahl den zweiten Platz belegt hatte, bis irgendwer – wahrscheinlich Robinson – nachrecherchierte und herausfand, dass sie niemals teilgenommen hatte.
    «Wir nehmen gleich die Personenbeschreibung des Killers auf», sagte Clemencia, «und dann …»
    «Nein!» Oshivelo rieb sich das Handgelenk. «Der Mann ist todkrank. Der hat nichts zu verlieren. Der drückt sofort ab, wenn etwas nicht so läuft, wie er sich das vorstellt.»
    Clemencia hatte im Prinzip recht gehabt. Sie hatte nur etwas zu lang gebraucht, um zu kapieren, dass es für den Killer weniger riskant war, einen hohen Polizeioffizier zu erpressen, als sich ins Präsidium einzuschleichen. Eine Stunde früher, und sie hätte ihn hier gestellt! Sie sagte: «Er will Donkerkop. Lebend. Sobald wir ihn gefasst haben, sollen Sie ihn dem Killer übergeben, stimmt’s?»
    «Nicht ganz», sagte Oshivelo. «Donkerkop soll den Mord an Anton Lubowski gestehen sowie alle Beteiligten und Tatumstände nennen. Sobald der Killer das aufgezeichnete Geständnis im NBC-Radio hört, lässt er meine Frau unversehrt frei.»
    «Sagt er», sagte Clemencia.
    «Ja», sagte Oshivelo.
    «Und was machen wir jetzt?», fragte Clemencia. Sie hatte nun auch Oshivelos Beine befreit. Er setzte die Füße

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