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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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sehr geschwächt, brauche Ruhe, und da habe sie, Matilda, sich überlegt, dass Clemencia, solange sie sowieso außer Haus sei, ihr Zimmer vielleicht einmalig und ausnahmsweise für diesen guten Zweck zur Verfügung …
    «Nein», sagte Clemencia und legte auf. Ein böser Zauber, Herrgott! Sie schüttelte den Kopf.
    Die Silhouette der Auas-Berge schräg vor ihr zeichnete sich scharf gegen den Himmel ab. Das Blau darüber wirkte durch das dunkle Glas ihrer Sonnenbrille noch voller und intensiver. Neben der Pad zog sich kilometerweit ein Wildzaun hin, doch endlich erreichte sie das Farmtor. Nachdem sie es passiert hatte, hängte sie die Kette wieder ein. Weit und breit war niemand zu sehen. Die Farmpad stieg nun deutlich an und wurde steiniger. Die paar Reste trockenen Grases hatten jede Farbe verloren, die halbhohen grauen Büsche neben der Fahrspur schienen sich seit Wochen nur von Staub ernährt zu haben. Hier und da ragte ein Kameldornbaum trotzig zwischen den Klippen hervor.
    Das Motorengeräusch schreckte eine Gruppe Perlhühner auf. Statt sich in die Büsche zu schlagen, rannten sie panisch vor dem Wagen her und flatterten erst zur Seite, als die Räder sie zu erfassen drohten. Aus einer der Baumkronen schwang sich ein Raubvogel hoch und flog mit schwerem Schwingenschlag davon. Ein Schlangenadler vielleicht. Wenn er ruhig sitzen geblieben wäre, hätte Clemencia ihn gar nicht bemerkt.
    Als sie die Anhöhe erreichte, sah sie fern auf der sanft abfallenden Ebene zwei Zypressen aufragen. Darunter breitete sich ein dichtes helleres Grün aus, durch das man an einigen Stellen die weißgetünchten Mauern des Farmhauses oder der Nebengebäude zu erahnen meinte. Direkt über der Bodenlinie schien sich die Oase in einen dünnen Streifen flirrender Luft aufzulösen, als ob sie im Nichts schwebe oder überhaupt nur eine Fata Morgana sei, die die Hitze dort hingezaubert hatte.
    Erst als Clemencia näher kam, wurden die Umrisse solider. Kurz vor den ersten Bäumen versperrte ein weiteres Gatter die Fahrspur. Zwei barfüßige Kinder öffneten es und liefen Clemencias Wagen bis zum Haupthaus nach. Auf der überdachten Veranda erhob sich ein älterer weißer Mann. Er war schmächtig, sein Gesicht braun gebrannt, seine bleichen Haare hatten einen Stich ins Gelbliche.
    «Richter Hendrik Fourie?» Clemencia streckte ihm die Hand entgegen.
    «Ex-Richter», sagte Fourie. Er schüttelte Clemencias Hand und wandte sich an die beiden Kinder, die neben dem Polizeiwagen stehen geblieben waren. «Los, fragt schon!»
    Das Mädchen mochte vielleicht fünf Jahre alt sein, der Junge war etwas älter. Er senkte den Kopf und sah auf seine nackten Füße hinab.
    «Na, kommt, die Polizistin frisst euch nicht!»
    Clemencia versuchte ein Lächeln. Das Mädchen starrte sie unentwegt an. Der Junge bohrte mit den Zehen im Sand. Beide hatten eine sehr dunkle Haut. Clemencia sagte: «Kann ich irgendwie …?»
    Fourie wehrte ab. Nein, die beiden sollten selbst fragen. Sie müssten lernen, dass einem im Leben selten etwas von allein zufliege. Trotz seiner fünfzehntausend Hektar habe er nicht viele Arbeiter auf der Farm, weil er keine kommerziellen Interessen verfolge. Rinderzucht lohne sowieso nicht mehr. Jedenfalls seien Taleni und Nangolo die einzigen Kinder hier, und er kümmere sich ein wenig um ihre Erziehung. Die beiden seien alles andere als dumm. Er trage sich sogar mit dem Gedanken, sie nach Windhoek auf eine gute Schule zu schicken.
    Clemencia fragte nach den Eltern. Die Mutter arbeitete als Fouries Hausangestellte und wohnte mit den Kindern im ersten der drei Häuschen hinter dem Hauptgebäude. Vom Vater wusste niemand, wo er sich herumtrieb und ob er überhaupt noch lebte. Er sei früher schon immer wieder mal für ein paar Tage verschwunden, aber nun habe er sich seit Ewigkeiten nicht mehr blicken lassen.
    «Ist vielleicht besser so», sagte die Mutter hart, nachdem sie zwei Gläser Eistee auf die Veranda herausgebracht hatte.
    Der Junge stand immer noch neben dem Polizeiwagen. Das Mädchen hatte das Interesse an Clemencia verloren und zupfte an dem großen Weimaraner herum, der im Schatten der Obstbäume alle viere von sich streckte. Der Hund schlug zweimal müde mit dem Schwanz. Der Eistee erfrischte, und unter dem Dach der Veranda war es vergleichsweise kühl. Aus der Rosenhecke zwitscherte irgendein Vogel. Weiter hinten stolzierten Pfauen und Truthähne um einen kleinen Teich. Man hätte fast glauben können, dass die Welt hier in

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