Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
Vom Netzwerk:
durch einen etwas abseits stehenden Hochtank überragt. Das langgestreckte Farmhaus schien ein paarmal erweitert worden zu sein, ohne dass man sich über eine einheitliche Gestaltung Gedanken gemacht hätte. Durch die L-förmig angeordneten Nebengebäude wurde ein offener Hof gebildet. Alle Tore waren geschlossen, sodass nicht erkennbar war, ob sich Garagen, Werkstätten, Kühl- oder Lagerräume dahinter befanden. Angula hielt noch vor dem Hof an.
    Clemencia konnte sich nicht vorstellen, dass drei herannahende Polizeifahrzeuge unbemerkt geblieben waren. Es sah eher so aus, als nähme man bewusst keine Notiz von ihnen. Ein Weißer war nirgends zu entdecken, nur ein gutes Dutzend schwarze Arbeiter, die damit beschäftigt waren, um die Gebäude einen Drahtzaun zu setzen. Genauer gesagt arbeiteten sie in zwei Gruppen an zwei Zäunen, die im Abstand von wenigen Metern parallel liefen. Zu circa zwei Dritteln stand der doppelte Ring ums Farmhaus, nur zu der Abbruchkante des Riviers hin fehlte noch ein Stück. Große Rollen Stacheldraht lagen auf der Ladefläche eines Farmbakkies bereit und warteten offensichtlich darauf, die Außenfront des Bollwerks zu verschönern.
    «Wie in den achtziger Jahren!», murmelte Angula.
    Als Kind war Clemencia nie aus Katutura herausgekommen, doch aus Erzählungen ihres verstorbenen Großvaters, der damals auf einer Farm nahe Tsumeb gearbeitet hatte, wusste sie, wovon Angula sprach. Auf dem Höhepunkt des Unabhängigkeitskriegs hatten die weißen Farmer aus Angst vor der SWAPO-Guerilla oder irgendwelchen Banditen ihre Häuser in Festungen verwandelt. Solche doppelten Terroristenzäune waren gang und gäbe gewesen. Im schmalen Raum zwischen den beiden Zäunen wurden nachts die Hunde laufen gelassen. Natürlich konnten die Tiere dort bei einem Überfall relativ leicht abgeknallt werden, aber man verhinderte wenigstens, dass man im Schlaf überrascht wurde.
    Clemencia hatte nur einmal ein Stück einer solchen Anlage gesehen, das jedoch zum Hühnerfreigehege umgebaut worden war. Der Rest der Terroristenzäune war nach 1990 rasch wieder abgerissen worden. Keiner lebt gern im Hochsicherheitsgefängnis, keiner lebt gern in Erinnerungen an einen schmutzigen Krieg! Nur ein gewisser James P. Doyle schien es für nötig zu halten, sie wiederzubeleben. Nostalgie steckte wohl kaum dahinter.
    Clemencia stieg aus dem Wagen. Was so ein Zaun alles verraten konnte! Es war fast, als ob er zu ihr spräche. In einfachen, klaren Aussagesätzen, die keinen Platz für ein «Vielleicht» oder «Angenommen, dass» oder «Wäre» oder «Könnte» ließen. Die Sätze lauteten:
    Hier lebt Donald Acheson.
    Er ist nicht der Killer.
    Er fürchtet um sein Leben.
    Und er weiß, dass der Killer kommt.
     
    Es war ein Risiko, über Botswana zurück nach Namibia zu reisen. So musste er zwei Grenzübergänge statt einem passieren, und das mit einer zerlegten AK-47 in seiner Reisetasche. Andererseits wäre die Alternativstrecke nach Gobabis doppelt so weit gewesen. Auch das hätte ein Risiko dargestellt. Je länger er unterwegs war, desto mehr konnte schiefgehen. Außerdem hatte er nichts dagegen, die Sache schnell hinter sich zu bringen, obwohl er wusste, dass danach nichts mehr kommen würde. Er fühlte sich ein klein wenig müde. Und die Hustenanfälle gingen ihm auf die Nerven. Sie wollten gar nicht mehr aufhören und waren so heftig, dass er die Lunge auf dem Gaumen zu schmecken meinte. Das musste an dem verdammten südafrikanischen Klima liegen.
    Die Entscheidung für die Botswana-Strecke war in einem Hungry-Lion-Schnellimbiss nahe des Busbahnhofs von Jo’burg gefallen. Von den panierten Hähnchenschenkeln hatte er mit Mühe die Hälfte hinunterbekommen, doch es war gut, dass er sich dazu gezwungen hatte. Sonst hätte er die Unterhaltung der Männer am Nebentisch nicht mitgekriegt. Einer von ihnen hatte von einer Tour nach Windhoek gesprochen und dass man in Botswana wegen der kleinsten Geschwindigkeitsübertretung erbarmungslos abgezockt würde. Später war klar geworden, dass der Fahrer Möbel für die «House & Home»-Filialen in Namibia liefern sollte.
    Ein geschlossener Lastwagen, kein Mensch, mit dem man sprechen und vor dem man sich in Acht nehmen musste, und vielleicht sogar ein Ledersofa im Laderaum, auf dem man schlafen konnte! Fast hätte er an einen glücklichen Zufall geglaubt, doch was ihn betraf, gab es weder Glück noch Zufälle. Eher schon Schicksal, denn das Schicksal erfüllte sich einfach. Daran war

Weitere Kostenlose Bücher