Die Stunde des Schakals (German Edition)
wäre er längst drin. Er war jetzt schon in der Polizeizentrale, er hatte sich irgendwie eingeschlichen, so musste es sein, es gab keine andere Möglichkeit!
Clemencia fuhr zum Präsidium und parkte den Citi Golf in einer der reservierten Parkbuchten vor dem Eingang. Sie zwang sich, die Stufen langsam hochzusteigen, und musterte die wenigen Uniformierten, die ihr begegneten, genau. Der Flur im zweiten Stock, wo die Serious Crime Unit residierte, wirkte verlassen. Nirgends ein Handwerker, der die Leitungen erneuerte oder Wände strich. Clemencia steuerte auf Oshivelos Büro zu. Es musste ihr gelingen, den Chef zu überzeugen. Suspendiert oder nicht, sie würde sich nicht abweisen lassen, würde sich einfach weigern zu gehen, bis Oshivelo zustimmte, jeden Winkel des Gebäudes und jeden Menschen, der sich darin aufhielt, zu überprüfen.
Clemencia klopfte. Die Tür war verschlossen, der Chef nicht da. Der einzige Kollege, den sie fand, war Robinson. Er hatte es sich hinter ihrem Schreibtisch gemütlich gemacht. Wahrscheinlich reichte seine Phantasie nicht, sich bloß vorzustellen, wie es sich anfühlte, als Inspector ihren Platz einzunehmen. Es schien ihm kein bisschen peinlich zu sein. Als Clemencia fragte, wo der Rest der Einheit sei, plusterte Robinson sich auf. Vielleicht habe Clemencia das noch nicht mitbekommen, doch sie hätten eine Großfahndung laufen, bei der jeder einsatzfähige Mann gebraucht werde. Dass er dabei sowohl «einsatzfähig» als auch «Mann» betonte, würde ihm Clemencia irgendwann heimzahlen. Jetzt hatte sie andere Sorgen.
Die Aktion sei nicht nur die größte, die das Land je erlebt habe, plapperte Robinson weiter, sondern auch sehr delikat geworden, denn offensichtlich sei bei einflussreichen Kreisen der Eindruck entstanden, die Polizei wolle Donkerkop um jeden Preis erschießen, bevor er den Mund aufmachen könne. Gerade deshalb sei es unabdingbar, ihn lebend zu fassen. Da sei er, Robinson, sich mit Oshivelo völlig einig gewesen. Entsprechende Anweisungen seien auch schon ausgegeben worden.
Robinson deutete auf die große Namibiakarte vor sich. Er habe gerade einige strategische Überlegungen angestellt, gehe aber gleich wieder in die Telefonzentrale hinab. Wie Clemencia wohl schon kapiert habe, sei er nämlich von Oshivelo gebeten worden, die gesamte Operation zu koordinieren.
Weil die einsatzfähigen Männer ja draußen gebraucht werden, lag Clemencia auf der Zunge, doch sie fragte nur: «Und was ist mit dem Chef?»
«Krank», sagte Robinson. «Er hat vorhin angerufen.»
Clemencia blieb nichts übrig, als Robinson ihre Theorie darzulegen. Seine Reaktion überraschte sie nicht. «Erstens bist du suspendiert, zweitens gibt es keinen Killer, der irgendwo auf Donkerkop wartet, weil Donkerkop selbst der Killer ist, den zu fassen drittens jetzt in meiner Verantwortung liegt.»
«Ich brauche ja nur ein paar Leute und freien Zugang zu …», sagte Clemencia.
«Kommt überhaupt nicht in Frage!»
«Robinson!», sagte Clemencia. «Mag sein, dass du recht hast und ich endgültig aus dem Geschäft bin. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht bin ich noch ein paar Jahrzehnte deine Vorgesetzte. Und ich versichere dir, Robinson, dann wird es hier keinen geben, der in deiner Haut stecken möchte.»
Robinson lächelte, aber er schien ins Nachdenken geraten zu sein, ob es wirklich klug war, sich zu diesem Zeitpunkt so klar zu positionieren.
«Also?», fragte Clemencia.
«Ich würde dir ja gern entgegenkommen», sagte Robinson, «aber ich habe eindeutige Anweisungen. Die Festnahme Donkerkops hat höchste Priorität. Oshivelo hat ausdrücklich befohlen, dass jeder Mann für die Suche eingesetzt wird.»
«Okay, wir rufen den Chef an.» Clemencia griff über den Schreibtisch nach dem Telefon und ließ sich die Nummer geben. Sie legte erst auf, als beim letzten Klingeln immer noch nicht abgenommen wurde.
«Krank», sagte Robinson. Er zuckte die Achseln. «Es tut mir wirklich leid, aber …»
Idiot! Clemencia stürmte hinaus. Auf dem Flur rief sie Angula an. Ihre Erklärungen schienen ihn wenig zu interessieren. Erst als er hörte, dass es darum ging, unbefugterweise das Polizeipräsidium zu durchstöbern, war er Feuer und Flamme. Clemencia versprach, ihn gleich abzuholen. Zuerst ging sie zum Arsenal und verlangte ihre und Angulas Pistole zurück.
«Wieder im Dienst?», fragte der Wachhabende.
«Großeinsatz», sagte Clemencia. «Sie brauchen jeden Mann. Und jede Frau.»
«Klar», sagte der
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