Die Stunde des Tors
hergeschleppt.
Dann spürte Jon-Tom, wie er selbst auf den Rücken gedreht und von Dutzenden haariger Beine hochgehoben wurde, sein Treten und Protestieren half ihm genausowenig wie den anderen.
Es ging hinab in Dunkelheit. Wie weit, konnte er nicht schätzen, aber es dauerte nicht lange, bis sie unter der gebieterischen Aufsicht des ausgemergelten und bandgeschmückten Webers in einer Seiden- und Steinzelle abgeladen wurden.
Die Seide, die den Raum umgab, war alt und schmutzig. Es gab keine Fenster, die Licht hereinließen, nur ein paar Öllampen draußen auf dem Gang. Auf dem Boden lagen Abfälle, lose Felsbrocken und anderes Material. Jon-Tom rappelte sich auf und machte sich an die Untersuchung des gekreuzten Maschenwerks, das ihren Ausgang abschloß.
Es war nicht feucht oder klebrig, aber ziemlich unverletzlich. Er lehnte sich dagegen und rief ihren sich entfernenden Entführern nach: »Halt, ihr dürft uns hier nicht festhalten! Wir sind diplomatische Gäste. Wir sind hier, um mit der Großen Webmeisterin zu sprechen und...!«
»Spar dir den Atem, mein Freund.« Caz stand in der äußersten Ecke der Zelle und sah von dort in den nach oben führenden Gang hoch. »Sie sind weg.«
»Verflucht!« Jon-Tom trat gegen ein unregelmäßig geformtes flaches Stück eines schimmernden Materials, so daß es an die gegenüberliegende Wand schepperte. Er hielt es zuerst für zerbrochenes Geschirr. Eine genauere Untersuchung ergab, daß es sich um ein Stück Chitin handelte.
»Dieser verdammte doppelzüngige, hinterhältige Ananthos. Er hat uns hier reingelockt, indem er uns glauben machte, er sei unser Freund.«
»Er hat nie gesagt, daß er unser Freund ist.« Bribbens saß an der Wand, sein Kopf ruhte auf den Knien. »Nur, daß er seine Pflicht erfüllt. Er werde uns bis hierher bringen, dann sei es an uns, hat er gesagt.« Der Frosch kicherte kehlig »Hat sich bestimmt nicht besonders angestrengt, uns die Sache leicht zu machen, so wie's aussieht.«
Talea schnüffelte in der Luft herum und runzelte die Stirn.
»Ich weiß nicht, ob ihr es auch schon gemerkt habt, Ein überraschter Schrei. Jon-Tom sah nach links. Dort hatte Flor gestanden. Jetzt war sie vornüber gefallen und hart auf dem Boden aufgeschlagen. Ihr Fuß war durch eine Öffnung in der Wand verschwunden, und der Rest folgte langsam...
X
Als sie in die Zelle geworfen worden waren, hatten sie die Verbindung nicht bemerkt. Festzustellen, wohin sie führte oder was Flor festhielt, war unmöglich. Verzweifelt versuchte sie, ihre Finger in den Boden zu graben.
Jon-Tom war als erster bei ihr. Ohne nachzudenken beugte er sich vor und warf einen kopfgroßen Felsbrocken durch die Öffnung. Von der anderen Seite kam ein hauchiger Schmerz- und Überraschungsschrei. Flor rutschte nicht mehr weiter.
Caz und Mudge brachten sie halb tragend, halb zerrend zur anderen Seite der Zelle. Was immer sie gepackt haben mochte, hatte ihr Bein verfehlt, ihr Stiefel aber war direkt unterhalb der Wade säuberlich punktiert.
Während sie von dem Durchlaß weggebracht wurde, drängten sich mehrere Beine hindurch. Sie gehörten zu einem sechzig Zentimeter großen, knolligen Körper von hellgrüner Farbe mit blauen Streifen und Punkten. Jon-Tom fiel auf, daß er nur mit einem schwarzen Seidenschal um das oberste Gelenk des linken Hinterbeins geschmückt war.
Dem Besucher folgte dichtauf eine zweite, kleinere Spinne. Sie war kastanienbraun und hatte ein großes, graues Rechteck auf dem Unterkörper. Und dann quetschte sich ein dritter Weber in die Zelle, der kaum durch die Öffnung paßte. Er war graubraun, hatte weiße Kreise auf dem Kopfbruststück und Unterleib und signalrote Beine. Alle trugen nur den einzelnen schwarzen Schal an jeweils den gleichen Gliedern.
Die drei Spinnen standen der wachsamen Gruppe der Warmlander gegenüber.
»Was zur Hölle«, sagte der Weber, der als erster hereingekommen war, in einer so hohen und flüchtigen Stimme, daß er kaum verständlich war, »seid ihr?«
»Diplomatische Gesandte«, informierte Clodsahamp sie mit soviel Würde, wie er unter den gegebenen Umständen aufbrachte.
Das kleine Spinnenwesen ließ seinen Kopf in jener vielleicht Ja-, vielleicht Nein-Bewegung tanzen, die Jon-Tom inzwischen erkannte. »Ihr haltet euch vielleicht für diplomatische Gesandte«, sagte er, »aber für uns seid ihr nur Nahrung.«
»Sie sehen nett und weich aus«, sagte der Große mit kaum tieferer und doch düsterer Stimme. Sein Körper war etwa einen
Weitere Kostenlose Bücher