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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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danach, die Glockenspiele von Brügge gegen die rüden Scherze der Burgknechte einzutauschen.«
    Die Herzogin räusperte sich.
    »Das nenne ich eine ehrliche Antwort. Was kann ich also für Euch tun, wenn Ihr es so vehement ablehnt, Euch auf Händen tragen zu lassen? Wie stellt Ihr Euch Eure Zukunft vor?«
    »Ich möchte unbedingt das Handelshaus Cornelis weiterführen. Es ist mein Erbe, und ich werde mich nicht daraus verdrängen lassen. Ich handle gerne. Es bereitet mir Freude, und der Erfolg wird mir recht geben, wenn es mir gelingt, meine Feinde zu besiegen. Eine Verkettung unglückseliger Umstände hat verhindert, dass ich die Gewinne machen konnte, die das Geschäft verspricht. Wenn Ihr zum Beispiel am königlichen Hof von Frankreich erwähnen wolltet, woher Ihr Eure Gewänder und Juwelen in erster Linie bezieht, wäre mir bereits geholfen. Ihr kennt den Wunsch am Hof, immer das Neueste und Ungewöhnlichste zu tragen und zu besitzen. Man bewundert Euch sicher dort und wird es Euch gleichtun wollen.«
    »Halt, nicht so schnell!« Die Herzogin hob eine abwehrende Hand. »Lasst uns noch einmal über Alain von Auxois sprechen. Wir schätzen ihn sehr. Könnt Ihr Euch denn gar keine Verbindung mit ihm vorstellen?«
    »Ich schätze ihn auch«, räumte Aimée vorsichtig ein. »Seine Art und sein Charme lassen mich nicht kalt. Dennoch kann ich mir eine Ehe mit ihm nicht vorstellen. Wenn ich eine Heirat erwägen würde, dann nur eine mit einem Mann, der gemeinsam mit mir das Haus Cornelis führt. Ein Ritter ist nicht der Richtige.«
    »Wartet noch ein wenig, ehe Ihr so endgültig urteilt«, antwortete die Herzogin nachdenklich. »Genießt unsere Feste und lasst Euch umwerben. Gönnt Euch Abstand von den Schwierigkeiten Eures Lebens. Euer Anliegen werde ich mit dem Herzog gemeinsam wohlwollend prüfen.«

34. Kapitel
    B URG VON M ALE , 24. J UNI 1372
    Und Aimée genoss. Es herrschte ein buntes, festliches Treiben auf der Burg, und Aimée konnte den Avancen Alain von Auxois' nicht entgehen, selbst wenn sie es gewollt hätte. Sie wusste natürlich, warum der Herzogin so sehr daran gelegen war, sie in den Händen eines Mannes zu sehen. Sie verhielt sich zurückhaltend, wenn der Herzog ihr Komplimente machte, aber um sich ihrer Hilfe sicher zu sein, war es klug, sagte sie sich, sich der Werbung des Ritters nicht provokativ zu verschließen.
    Sie hatte bewusst unterkühlt reagiert, als die Herzogin sie auf die Sehnsucht nach Liebe angesprochen hatte. Doch bereits während ihrer Antwort wurde ihr bewusst, dass da ein Verlangen nach Zärtlichkeit, Hingabe und Leidenschaft in ihr wach war, das befriedigt werden wollte. Auf den Venezianer, wurde ihr immer deutlicher, hatten sich langsam und vermutlich alle ihre Gefühle gerichtet. Doch er war weit weg, vergeben, verheiratet, Vater eines Kindes.
    Alain von Auxois war da, greifbar.
    Er glich ihrem Venezianer äußerlich auf seltsame Weise, und er wurde von Tag zu Tag angenehmer in seinem Liebeswerben.
    Sie sahen sich stündlich, amüsierten sich, tändelten durch den Tag, hin und wieder von ernsten, nachdenklichen Gesprächen unterbrochen. Sie legte ihre Hand in die seine, wenn die Musikanten des Herzogs aufspielten. Sie erlaubte ihm, das Gebetbuch zu tragen, wenn er sie in die Kapelle der Grafenburg begleitete, und sie lächelte nicht länger spöttisch, wenn er sie mit Komplimenten überhäufte. Sie trug seine Farben, als er für sie in die Turnierschranken ritt, und sie überreichte ihm die Trophäe für seinen Sieg im Bogenschießen.
    Ihr Kuss galt allein dem Sieger, aber Alain bedeutete er mehr als die Trophäe. Nicht einmal die Tatsache, dass seine Gunst einer Kaufmannswitwe galt, was sie ihm nicht länger verschwiegen hatte, hielt ihn davon ab, sie zu umwerben. Der Hof nahm sie mehr und mehr als Paar zur Kenntnis. Aimée erfasste es, aber sie wollte nicht über den Tag hinaus denken.
    Bis zu jenem Abend, an dem Alain sie trotz der Sänger und Musikanten, die den Hof in der großen Halle unterhielten, auf die Wälle der Burg hinausführte. Das Gewitter, das am späten Nachmittag vom Meer landeinwärts gezogen war, hatte kühle Feuchtigkeit auf den Steinen zurückgelassen, und Wolkenfetzen trieben wie breite Federstriche am Mond vorbei. Aimée genoss die Stille und Frische nach dem Trubel des Festes.
    »Ich weiß so vieles von Euch«, sagte Alain, während sie das Gesicht dem Wind zuwandte. »Aber was Ihr fühlen werdet, wenn ich Male verlassen muss, bleibt mir dennoch

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