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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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hörte er den Mann in höfischem Französisch antworten, und die Stimme bestätigte zusätzlich zu Aimées Anrede, dass Colard sich geirrt hatte. Er war nicht Contarini, obwohl er ihm glich wie ein Zwillingsbruder. Doch es war unverkennbar, dass Aimée, von dieser Ähnlichkeit fasziniert, den Ritter schätzte.
    »Das kann es nicht, mein Freund.«
    Sie ließ es mit einem nachsichtigen Lächeln zu, dass er ihre Hand küsste, ehe er sie zögernd freigab und zurücktrat. Colard beobachtete die Szene mit gemischten Gefühlen. Sein Zorn, dass er von diesem Alain nur eines gleichgültigen Blickes gewürdigt worden war, kämpfte mit jäher Eifersucht, die ihn wieder übermannte. Je eher sie aus Brügge verschwand, umso besser war es.
    »Komm mit.«
    Aimée riss ihn aus seinen Gedanken und trat mit eiligen Schritten in eine Fensternische, wo sie ungestört miteinander reden konnten.
    »Es ist gut, dass du gekommen bist, Colard«, begann sie, ehe er das Wort ergreifen konnte. »Ich hätte ohnehin heute nach dir geschickt. Es gibt wichtige Neuigkeiten.«
    »Neuigkeiten, die mit Contarini zu tun haben?«, unterbrach er sie. »Hat er dir noch einmal Hilfe gewährt, obwohl ihn der Tod deines Onkels aus seinen Verpflichtungen erlöst? Ist der Ritter, den du so liebenswürdig behandelst, ein Verwandter von ihm?«
    Aimée antwortete mit eisiger Beherrschung.
    »Um deinen Spekulationen Einhalt zu gebieten: Alain von Auxois stammt zwar aus dem Süden, aber nicht aus Venedig. Seine Familie ist entfernt mit dem Hause Valois verwandt, das die französische Krone trägt.«
    »Wirst du ihn heiraten?«
    Mit einer kurzen Bewegung schüttelte Aimée die Falten ihres Ärmels auf. Auf Colard wirkte es, als sei er ein lästiges Stäubchen, das sie auf diese Weise abschütteln wollte.
    »Colard, ich habe nicht vor, mit dir zu plaudern. Ich habe Informationen und Befehle. Der Herzog plant, den Wettkampf der Bogenschützengilden von Brügge mit seiner Gegenwart zu beehren. Der Hof wird für diese Tage in der Burg in Brügge residieren. Das Haus Cornelis muss in aller Eile auf den Besuch der Herzogin vorbereitet werden. Dekoriert das leere Tuchlager mit unseren schönsten Stoffen, den seltensten Kleinmöbeln, Teppichen, Leuchtern und Edelsteinen. Sollten wir nicht genügend Einzelteile haben, bedient Euch bei Frau Sophia. Sie hortet Wandteppiche und Silberzeug, von denen sie glaubt, dass sie meiner Aufmerksamkeit entgangen sind.«
    Von ihrer Energie und ihren Neuigkeiten überrumpelt, versuchte Colard, sich die Aufzählung einzuprägen, während er gleichzeitig seine Pläne änderte. Gleitje würde verstehen müssen, dass er Aimée unter diesen Umständen vorerst nicht aus dem Geschäft drängen konnte. Der Besuch des Herzogs war sowohl von politischer wie von geschäftlicher Bedeutung.
    Falls die Herzogin tatsächlich das Haus Cornelis mit ihrem persönlichen Erscheinen beehrte, wollte sie Aimée dort vorfinden. Die Kluft, die zwischen Adel und Kaufmannschaft klaffte, würde durch ihr Erscheinen überbrückt. Sie mussten sich arrangieren. Es galt den Schein zu wahren, es war auch sein Gewinn.
    »Gleitje, die so gerne die Herrin des Hauses spielt, soll danach sehen, dass alles sauber, poliert und geschmückt ist«, setzte Aimée ihre Anweisungen fort. »Wenn die Herzogin uns die Ehre ihres Besuches zuteil werden lässt, muss alles bereit sein. Versäum keine Zeit, Colard. Die Nachricht, dass der Herzog in diesem Jahr die Einladung der Bogenschützengilden annimmt, ist bereits unterwegs an den Magistrat der Stadt.«
    »Du kannst dich auf mich und Gleitje verlassen«, behauptete Colard.
    Aimée gab keinen Kommentar dazu ab. Sie ließ ihn mit einem knappen Gruß in der Nische stehen, so dass er keine Gelegenheit zu weiteren Fragen bekam. Nur ein flüchtiger Hauch von Lavendel blieb zurück. All das stachelte ebenso seinen Zorn an wie seine Rachsucht. Gleitje hatte recht. Aimée behandelte ihn weder wie das Haupt des Handelshauses noch wie jenes der Familie Cornelis. Es war an der Zeit, sie eines Besseren zu belehren.
    »Wir werden einen anderen Weg finden müssen, uns ihrer zu entledigen«, sagte Gleitje mit erstaunlicher Gelassenheit, als er seine Neuigkeiten brachte. Überall im Haus sah er Mägde und Knechte an der Arbeit, und die Wände im Lager wurden aufgrund ihres Befehls in aller Eile frisch gekalkt. Die Nachricht vom Besuch des Herzogs war ihm vorausgeeilt, und die Stadt putzte sich in stolzem Eifer für das große Ereignis auf.
    »Nach dem

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