Die Stunde des Venezianers
in seinem Gesicht.
»Was werdet Ihr anfangen, während Ihr auf meinen Hauptmann wartet, Aimée? Die Herzogin sagt, dass Ihr einen höchst ungewöhnlichen Einfall mit Euch herumtragt, den Ihr mir unterbreiten wollt. Nun denn, was ist es dieses Mal? Ein Monopol für den Salzhandel? Ein Nachlass bei den burgundischen Brückenzöllen?«
Ein Unterton verriet Aimée, trotz des entspannten Plaudertons, dass die Herzogin den Verlauf dieser Unterredung vorherbestimmt haben musste.
»Nein, Euer Gnaden. Ich erbitte keine Gunst. Ich habe einen Vorschlag, die Ausrüstung Eurer Soldaten betreffend.«
»Herrje, was wisst Ihr vom Krieg, Aimée?«
»Ich weiß zumindest, dass sein Ende nicht abzusehen ist. Beide Seiten sind darauf angewiesen, Söldner zu rekrutieren, um die eigenen Verluste auszugleichen. Diese Krieger sind in der Schlacht von Freund und Feind nur schwer auseinanderzuhalten. Wenn aber Eure Männer in einheitlicher Kleidung in die Schlacht ziehen würden, ähnlich der Livree, die Eure Pagen oder Eure Gardisten tragen, dann wären folgenschwere Irrtümer besser zu vermeiden.«
Der Herzog hatte seine geschmückten Handschuhe ausgezogen und schlug sie nun ungeduldig zusammen. »Ihr wollt meine Soldaten in bestickte Waffenröcke kleiden? Wollt Ihr mich vollends arm machen? Ihr müsst doch wissen, was allein ein Pagenkostüm kostet.«
»Ich rede nicht von bestickter Seide und von Brügger Tuch«, erklärte Aimée hastig. Wenn der Herzog die Geduld verlor, ehe sie ihm die Einzelheiten erklärt hatte, war ihr Vorhaben gescheitert. »Man müsste schmucklose Beinkleider und passende Westen aus ungefärbtem grobem Wolltuch nähen. Tuch, wie es die Bauern des Grafen von Flandern in rauen Mengen herstellen. Es liegt nutzlos in den Lagerräumen der Burg von Male, weil es nicht den Anforderungen der städtischen Händler entspricht und nicht innerhalb der Stadtgrenzen gewebt und gefärbt wurde.«
»Hm …«
Der vage Laut machte Aimée Mut.
»Die Gleichheit der Kleider entstünde nicht durch aufwendig bordierte Wappen und teure Farben, sondern durch die Einheit von Schnitt und Stoff.«
Jetzt hatte sie sein Interesse geweckt. Er legte die Handschuhe endlich zur Seite und nahm den Hut ab. »Donnerwetter, was bringt Euch auf solche Ideen, Aimée?«
»Die Gespräche mit Alain von Auxois und anderen. Aber auch der Brief, den mir mein Vetter anlässlich des Todes meines Onkels geschrieben hat. Er sorgt sich um die Männer aus Andrieu, die er für Euch in die Schlacht führt.«
»Es ist schon merkwürdig, dass mir ausgerechnet eine Frau einen solchen Vorschlag unterbreitet. Wie kommen die Männer dazu, derartige Gespräche mit Euch zu führen?«
»Ihr sprecht mit Eurer Gemahlin doch auch über den Krieg«, warf Aimée beherzt ein.
»Je nun, sie ist die Herzogin«, antwortete er und fixierte sie nachdenklich. »Es würde Hunderte einzelner Kleidungsstücke erfordern, auch nur einen Bruchteil meiner Truppen einheitlich zu gewanden. Beinkleider und Wämser für Große und Kleine, Dicke und Dünne. Wie soll das gehen? Wer soll sie anfertigen?«
»Es ist nicht so schwierig, wie es sich anhört. Meines Erachtens würde es genügen, drei oder vier Einheitsgrößen herzustellen«, antwortete Aimée sachlich. »Die Länge und die Weite können dann umgeschlagen und mit Kordeln oder Gürteln geregelt werden.«
Der Herzog bedachte ihre Erklärung, ehe er nickte. »Und wenn ich nun von Euch fürs Erste einen Trupp von zweihundertfünfzig Männern eingekleidet haben möchte? Wann glaubt Ihr die Kleider liefern zu können?«
»In den Dörfern rund um Male und im weiten Land vor Brügge gibt es zahllose Mädchen und Frauen, die eine Nadel zu gebrauchen wissen. Man muss sie nur mit den zugeschnittenen Stoffteilen versorgen, sie vielleicht sogar zentral irgendwo zusammenbringen.«
»Mit wem habt Ihr bisher über diesen Plan gesprochen, Aimée?«
»Ihr seid der Erste, Euer Gnaden.«
Der Herzog traf einen schnellen Entschluss.
»Die nächsten Tage sind wir in Brügge. Ehe ich die Stadt verlasse, will ich ein Angebot von Euch und einen Preis, der meine Kriegskasse nicht endgültig in den Ruin treibt.«
»Beides werdet Ihr erhalten, Euer Gnaden.«
Aimée sank mit hochschlagendem Herzen in eine elegante Verneigung. Alain und sein Aufbruch hatten ihre wirren Gedankensplitter zu einem perfekten Plan geformt. Wenn es ihr gelang, diese Kleiderproduktion in Gang zu bringen, konnte es die Rettung für das Haus Cornelis bedeuten und für Alain,
Weitere Kostenlose Bücher