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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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es, bei solchen Gelegenheiten die Nächte durchzufeiern. Waren das dort unten ein paar Mägde und Knechte, die zu so später Stunde erst ihre Strohsäcke aufsuchten? Colard wollte sich schon abwenden, da bemerkte er, dass das Licht nicht im Hause verschwand, sondern zum Lagerhaus wanderte. Dort hatte um diese Nachtzeit niemand etwas zu suchen!
    Er eilte aus dem Kontor, durch finstere Gänge, die steile Gesindetreppe nach unten, zur Brunnenpforte neben den Küchengewölben. Er benötigte kein Licht. Jede Bodenplatte war ihm vertraut. Die Tür war nur mit einem Innenriegel gesichert und bewegte sich lautlos in den gefetteten Lederangeln. Still und leer lag der Hof mit dem Ziehbrunnen vor ihm.
    Vielleicht spielten ihm die müden Augen ja einen Streich. Lauschend verharrte er unter der Tür. Da, das typische Knarren des Speichertores. Waren etwa Diebe am Werk? Die Schätze, die Aimée für die Herzogin zusammengetragen hatte und die zum Teil noch dort gestapelt waren, legten den Verdacht nahe.
    Colard huschte an der Hauswand entlang zu der Stelle, wo Lager und Wohnhaus fast aneinandergrenzten. Tatsächlich, die Flügel standen einen Spaltbreit offen. Es gab nur zwei Möglichkeiten, dieses Tor zu öffnen. Mit nackter Gewalt oder mit dem Schlüssel, der an dem Bund in seinem Kontor hing. Gewalt hätte Lärm verursacht, also musste, wer immer sich dort drinnen zu schaffen machte, den Schlüssel an sich gebracht haben.
    Auf leisen Sohlen schlich er zum Eingang und vernahm heftiges Rumoren zwischen den Regalen. Beißender Gestank drang in seine Nase, der unverkennbare Geruch brennenden Wolltuchs.
    Auf das äußerste beunruhigt, zwängte er sich nach drinnen, ohne die Tür weiter zu öffnen. Er wusste um die Gefahr der Zugluft. Im ersten Augenblick entdeckte er nur einen diffusen rötlichen Schimmer, dann hörte er eine zitternde Frauenstimme ein Wiegenlied singen. Er kannte die Stimme. Es war Sophia, die in der Rechten eine brennende Kerze hielt und durch die Gänge zwischen den Regalen schlurfte. Immer wieder führte sie die Flamme gegen die gelagerten Waren. Meist zu kurz, um sie zu entflammen, aber an zwei Tuchrollen glomm es bereits, und von einem brennenden Wachspapier tropften gefährliche Funken zu Boden. Sophia kreischte vor Vergnügen.
    Colard stürzte den Gang entlang, entriss der alten Frau die Kerze und löschte sie mit der bloßen Hand. Inzwischen loderte jedoch schon eine Flamme aus dem Regal. Er packte sich einen Teppich, um damit das Feuer zu ersticken.
    Ohne Unterlass schlug und schlug er auf die Flammen ein, obwohl er husten musste und kaum Luft bekam. Funken versengten ihm Haar und Brauen, als das beschädigte Regal krachend in sich zusammenstürzte und dabei die letzten Glutherde löschte. Colard drosch dennoch wie besessen weiter. Erst als aufgeregte Stimmen laut wurden und Hände nach ihm griffen, brach er keuchend zusammen.
    Die Nachtluft, die seine oberflächlichen Brandwunden kühlte, brachte ihn wieder zu sich. Jeder Atemzug schmerzte in seinen brennenden Lungen. Er stützte sich schwer auf den Oberschenkeln ab und sah sich halb gebückt im Hof um. Jemand hatte die große Laterne unter dem Tor angezündet, und ihr Schein beleuchtete das Menschengewimmel um ihn herum.
    Dem Anschein nach hatte Lison, Aimées burgundische Kammermagd, die Flammen bemerkt und Alarm geschlagen. Doch Feuerwache, Knechte und Mägde hatten, dank seines schnellen Eingreifens, nicht mehr zu tun, als ihn an die frische Luft zu zerren. Sie waren knapp einer Katastrophe entgangen.
    Was zum Teufel war in seine Tante gefahren? Ein wenig verrückt war sie schon seit Rubens Tod, aber bisher hatte es keinen Anlass gegeben, ihre Taten zu fürchten. Wo steckte Sophia überhaupt? Lag sie etwa zwischen den verkohlten Trümmern?
    Unwirsch wehrte er die zahllosen Angebote ab, ihm zu helfen.
    »Seht nach, ob ihr Frau Sophia dort drin findet«, befahl er barsch.
    »Sophia? Was hat die alte Frau im Lager zu suchen?«
    Eine berechtigte Frage. Aber Gleitjes Stimme klang nicht etwa aufgeregt, sondern eher wütend.
    »Das möchte ich auch gerne wissen«, antwortete er schließlich zwischen zwei Hustenanfällen auf ihre Frage. »Ich habe sie dort drinnen mit einer Kerze gefunden und konnte eben noch verhindern, dass das ganze Lager in Flammen aufgeht, und dazu vielleicht gar noch die umstehenden Häuser!«
    Er musste nicht mehr sagen. Als Tochter eines Kaufmannes wie als Bürgerin von Brügge wusste Gleitje um die Gefahr des offenen Feuers. Nicht

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