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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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helfen würde. Er hatte ihre Mutter ebenfalls geschlagen, und auch sie war seiner strafenden Hand als Kind nie entgangen.
    »Vergiss nicht: Ich bin schwanger. Ich trage deinen Sohn und Erben«, erinnerte sie ihn mit bebender Stimme.
    Colard stutzte. Erst als er die unterschwellige Furcht in Gleitjes Blick entdeckte, wurde ihm klar, wovor sie sich ängstigte.
    »Verdient hättest du diese Prügel«, knirschte er durch die Zähne. »Ich habe dich für klüger gehalten. Du gefährdest unsere Pläne. Kümmere dich um Sophia. Ich will nicht, dass zu allem Überfluss auch noch das Gesinde darüber tratscht, dass wir sie so weit in den Wahnsinn getrieben haben. Sie ist eine alte, verwirrte Frau, und sie benötigt Pflege. Du wirst sie ihr geben und gleichzeitig dafür sorgen, dass sie ihre Kammer nicht mehr verlässt, haben wir uns verstanden?«
    »Wie du wünschst«, murmelte Gleitje, die Geknickte spielend. Sie senkte die Lider, damit er den Zorn in ihren Augen nicht entdeckte.
    Colard durchschaute sie trotzdem. »Auch du wirst diese Wände nicht verlassen, bis die Feiern vorbei sind. Solange der Herzog von Burgund in der Stadt ist, bleibt das Handelshaus in Frau Aimées Hand. Ich werde einer Frau, die unter dem persönlichen Schutz des Herzogs steht, den Respekt nicht verweigern, solange er in ihrer Nähe ist. Wir haben so lange gewartet, nun können wir mit der Durchsetzung unserer Pläne auch warten, bis die Herrschaften abgereist sind.«
    Vom Wettbewerb der Bogenschützen verbannt zu werden war für Gleitje eine empfindliche Strafe. Es war eines der wichtigsten gesellschaftlichen Ereignisse des Sommers in Brügge.
    »Du kannst mich hier nicht einsperren.«
    »Du wirst sehen, ich kann.«
    Colard verließ grußlos das Schlafgemach.
    »Das wirst du mir büßen, Aimée Cornelis«, flüsterte Gleitje.

42. Kapitel
    B RÜGGE , 6. J ULI 1372
    Nein, er konnte sie nicht einfach so abweisen.
    »Folgt mir hinauf in die Stube und verzeiht meine Unhöflichkeit«, bat Contarini Aimée.
    Sie nahm ihn zum ersten Mal bewusst als Mann wahr.
    Das Licht setzte blauschwarze Reflexe in seinem Haar. Er wirkte anziehender, als sie es in Erinnerung hatte. Seine Züge schienen markanter, die Augen dunkler, intensiver, die Lippen voller, spöttischer. Sie hätte ihn gerne berührt, um sich zu vergewissern, dass er wirklich gegenwärtig war. Alles drängte sie nach einer vertrauten Geste, während Alains Bild verblasste, ohne dass es ihr bewusst wurde. Gut, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte. Er war verheiratet. Sie würde gut daran tun, es im Gedächtnis zu behalten.
    Contarini ging voraus, um ihr die Tür zu öffnen.
    »Ich bin erstaunt. Ich wähnte Euch beim Bankett in der Burg. Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Seid Ihr in Ungnade gefallen?«
    »Aber nein«, entgegnete Aimée knapp und zwang sich, ihre Empfindungen zu verdrängen. »Ich habe eine plötzliche Unpässlichkeit vorgeschoben. Morgen, zum Wettbewerb, werde ich wieder bei Hofe sein.«
    Salomon hatte den Aufruhr und Contarinis Eingreifen auf dem Platz vom Fenster aus beobachtet. Er hatte geschwankt, ob er mithelfen sollte, hatte sich aber dann doch zurückgehalten. Ein Jude, der sich mit Färbergesellen anlegte, musste später um sein Leben fürchten. Jetzt hieß er Aimée mit einem erfreuten Lächeln willkommen.
    »Ihr versteht es immer wieder, mich zu überraschen, Frau Cornelis«, sagte er. »Warum seid Ihr ein solches Risiko eingegangen? Ihr hättet einfach nach mir schicken können. Steht Euer Besuch im Zusammenhang mit dem Überfall auf Euren Warentransport bei Reims?«, kam er unverzüglich zur Sache. »Ich höre, Ihr habt Euch Feinde in Brügge gemacht.«
    Aimée verbarg ihre Überraschung nicht. »Ihr wisst davon?«
    »Meine Augen und Ohren sind überall. Ich habe erwartet, dass Ihr Euch an mich wendet. Oder erlaubt Ihr etwa Herrn de Fine oder seinem Schwiegervater, in dieser Sache die Zügel in der Hand zu halten?«
    »Wie kommt Ihr darauf? Er, seine Tochter und Colard de Fine wollen mich aus dem Geschäft und aus dem Haus drängen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie hinter dem heimtückischen Überfall bei Reims steckten.«
    »Ihr verdächtigt de Fine?«, fragte Contarini dazwischen.
    »Nicht ihn direkt, aber seinen Schwiegervater. Korte würde ich ein solches Schurkenstück ohne weiteres zutrauen.«
    »Was ist geschehen, dass Ihr Colard de Fine zum Feind habt? Er war Euch treu ergeben?«
    Aimée fühlte, dass er kein Auge von ihr ließ, obwohl sie selbst

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