Die Stunde des Venezianers
vor.
»Nein.«
Seine strikte Ablehnung ließ sie die Farbe wechseln, aber sie hatte ein Argument noch zurückgehalten.
»Ihr lehnt ein fabelhaftes Geschäft ab, Messer Contarini. Der Auftrag des Herzogs ist nur der Einstieg in ein größeres Geschäft. Der Vorteil der einheitlichen Gewandung wird für sich sprechen. Auch der König von Frankreich wird sich ihm nicht verschließen können. Ich bin mir sicher, dass auch er sich an uns wenden wird.«
Aimée suchte seinen Blick. Würde ihn dieses Argument überzeugen?
»Geschäfte mit dem Krieg solltet Ihr vielleicht doch besser den Männern überlassen«, erwiderte er. »Zudem benötigt eine Manufaktur wachsender Größenordnung mehr als nur einen Geldgeber. Sie braucht einen vertrauenswürdigen Leiter und zuverlässige Handwerker. Wo wollt Ihr diese Männer finden? Auf dem Dienstbotenmarkt? Lasst uns eine Abmachung treffen. Ihr erlaubt mir, Eure Idee auf meine Kosten in die Tat umzusetzen. Im Ausgleich dafür erhaltet Ihr fünfzig Prozent des Gewinns und Zinserlass auf Eure Schulden für die nächsten zwei Jahre.«
»Sechzig Prozent und Zinserlass für drei Jahre«, entgegnete Aimée tonlos.
Dabei konnte sie es kaum fassen. Sein Angebot war mehr, als sie erhofft hatte. Statt wie eine geschickte Händlerin mehr zu fordern, wäre sie ihm beinahe um den Hals gefallen.
Sie rief sich zur Ordnung. Domenico Contarini war kein Mann, der grundlos Almosen vergab. Warum tat er das für sie? War es Zuneigung – oder die Aussicht auf Gewinn. Ihr Herz stockte, als er langsam nickte.
»Ihr sollt sowohl die von Euch vorgeschlagenen Prozente wie den Erlass haben. Wie seid Ihr mit dem Herzog verblieben?«
Aimée schilderte ihr Gespräch mit Philipp dem Kühnen. Contarini nahm ihre Ausführungen befriedigt zur Kenntnis, was er durch wiederholtes Kopfnicken zum Ausdruck brachte.
»Lasst uns einen Plan entwerfen, der die genaue Reihenfolge unseres Vorgehens festhält. Wir können nicht wissen, wann sich wieder die Gelegenheit für ein gemeinsames Gespräch ergibt. Ihr müsstet einen möglichst regelmäßigen Kontakt zum Herzog aufrechterhalten und alle weiteren Schritte mit Abraham ben Salomon abstimmen.«
Der Mond war ein gutes Stück gewandert, als sich Aimée zum Heimgehen erhob.
»Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit«, nickte sie Abraham ben Salomon zu und trat durch die Tür, die Contarini ihr aufhielt.
»Ich begleite Euch auf dem Heimweg«, verkündete er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Brügge ist in der Nacht kein Pflaster für Euch. Ihr solltet zukünftig nicht noch einmal ohne männliche Begleitung unterwegs sein.«
Sie antwortete ihm nicht.
Er respektierte ihr Schweigen.
Er führte Aimée jedoch nicht die Wallstraat entlang, sondern in eine Seitengasse zu einem der vielen Kanäle. Ein schmales Boot lag dort, unter niedrig hängenden Weidenzweigen versteckt. Sie würden das Haus Cornelis über die Kanäle viel schneller erreichen als durch die Gassen, und was noch wichtiger war, unbehelligter.
Ohne Protest stieg sie in den kleinen Kahn. Mit zwei schnellen Schlägen dirigierte er ihn in den Schatten, den die gegenüberliegende Häuserreihe auf das Wasser warf. Das Geräusch der Ruder erzeugte nicht mehr als ein leises Flüstern auf der Kanaloberfläche. Es war bewundernswert, mit welch nachtwandlerischem Geschick er das Boot lenkte, bis ihr einfiel, dass er in einer Stadt der Kanäle aufgewachsen war.
Erleichtert lehnte sie sich zurück, schon im Begriff, träumerisch eine Hand durch das kühle Wasser gleiten zu lassen, als eine vorbeischwimmende graue Masse sie davon abhielt. Die Kanäle von Brügge waren nicht nur Verkehrsweg, sie dienten vielen Bürgern zum Entsorgen ihres Unrats. Es war nicht die Zeit zu träumen, wenn auch das sanfte Dahingleiten auf einem der zahllosen Reiearme und die laue Sommernacht dazu verlockten.
»Werde ich Euch beim Wettbewerb der Bogenschützen noch sehen?«
Die Frage kam ihr über die Lippen, ehe sie sie zurückhalten konnte, als er das Boot an der privaten Anlegestelle vor dem Garten des Cornelishauses zum Halten brachte.
»Nein.«
Das schroffe kurze Nein traf sie. Sie sah ihn an, konnte aber nicht mehr erkennen als den Umriss seiner Gestalt. »Entschuldigt. Ich wollte Euch nicht zu nahe treten«, murmelte sie betroffen.
»Wird Euch der Ritter von Auxois zum Wettbewerb begleiten?«, stellte er kühl eine Gegenfrage.
Er wusste von Alain, da er sie mit ihm bei den Festlichkeiten gesehen hatte.
Sie
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