Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
Vom Netzwerk:
»Ich habe mein Wort gegeben, und ich behandle Euch – auch wenn es höchst ungewöhnlich ist – wie einen meiner Vasallen. Immerhin seid Ihr die Erbin von Courtenay. Seid Ihr bereit, zum Besten von Burgund die Herausforderung einer Ehe mit Ruben Cornelis einzugehen?«
    »Ihr wollt, dass ich Ruben Cornelis zum Mann nehme?«
    »Ihr findet Gefallen an ihm. Ihr müsst es nicht leugnen«, antwortete der Herzog. »Es gibt nicht viele Männer, die in den Genuss Eures Lächelns kommen. Seid ehrlich, Ihr empfindet Zuneigung für ihn. Heiratet Ruben Cornelis und werdet meine Verbündete in Brügge. Ihr seid die Frau, die ihn auf den rechten Weg bringen kann. Ihr seid stark und klug genug, einen Hitzkopf wie ihn zu zügeln. Ihr müsst verhindern, dass ein so haarsträubender Plan wie der, das Getreidemonopol von Gent durch Gewalt zu Fall zu bringen, weiter in seinem Kopf herumspukt. Mit Eurer Stimme der Vernunft an seiner Seite wird er es im Rat der Stadt Brügge sicher weit bringen.«
    »Aber es wäre keine standesgemäße Ehe«, wandte sie ohne große Überzeugung ein.
    »Die Tatsache, dass Ihr von Adel seid, wird seinem Wort künftig mehr Gewicht verschaffen.«
    Das Gespräch mit dem Herzog war für Aimée in seiner Bestimmtheit und Offenheit eine Herausforderung. Die Konzentration strengte sie spürbar an, und gleichzeitig empfand sie dankbar eine große Erleichterung. Die Verwirrung der Gefühle löste sich. Hatte sie nicht genau das ersehnt? Einen Ehemann, der seine Tage nicht mit Reiterspielen und Festessen verschwendete. Eine Verbindung, in der auch sie Aufgaben übernehmen konnte, die ihre Tage mit sinnvoller Beschäftigung füllten. War sie der Erfüllung ihrer Wünsche nahe? Die wichtigste Frage musste sie noch klären.
    »Ist es auch der Wunsch von Ruben Cornelis, mich zu ehelichen?«
    »Herrgott, er liegt Euch zu Füßen, das dürfte Euch doch nicht entgangen sein.«
    Aimée erhob sich von ihrem gepolsterten Hocker. Langsam schritt sie auf den Herzog zu und kniete vor ihm nieder, griff nach seiner Hand und berührte die Finger mit ihrer Stirn.
    »Eure Feinde sind meine Feinde. Eure Freunde sind meine Freunde. Ich will allzeit treu, hold und gewärtig sein, mein Herr und Herzog.«
    Die altertümliche Form des Vasalleneides, von Aimée klangvoll beschworen, rührte den Herzog zutiefst. Noch nie hatte er sie so begehrenswert gefunden, am liebsten hätte er sie in seine Arme genommen. Es schmerzte ihn, sie einem anderen Mann zu überlassen.
    Dann siegte die Vernunft, lediglich seine Stimme verriet, wie bewegt er war. Sie klang rauer als gewöhnlich.
    »So sei es, Aimée von Andrieu. Der Bischof von Cambrai wird Eure Verbindung heute Nachmittag segnen. Die Herzogin erwartet Euch bei ihren Frauen. Sie wollen Euch dem Anlass gemäß schmücken.«
    Über die Eile erschrak Aimée nun doch, aber sie widersprach nicht.
    »Es ist zu viel der Ehre, dass Herzogin Margarete sich selbst die Mühe machen will …«
    »Lasst sie nur«, unterbrach der Herzog ihren Protest. »Sie betrachtet sich als Stifterin dieser Ehe. Sie war es, die als Erste bemerkt hat, dass Cornelis Euer Wohlgefallen errungen hat.«
    Wie auch immer, dachte Aimée. Das Ergebnis blieb das gleiche. Sie würde in Flandern bleiben. Sie würde in Brügge leben, wie ihre Großmutter.
    »Ihr habt mein Wort als Fürst und als Freund, dass ich stets für Euch da bin, wenn Ihr Rat oder Hilfe benötigt, Aimée«, beendete der Herzog die Audienz bedeutungsvoll. »Auch in Brügge werdet Ihr unter meinem Schutz stehen, das bin ich Euch und Eurer Familie schuldig.«
    »Ich danke Euch«, erwiderte sie leise.
    »Ich wünsche Euch, dass Ihr Euer Glück in Flandern findet, Aimée«, sagte er mit warmer Stimme.
    Sie erwies ihm Reverenz. Vor dem Audienzsaal wartete bereits ein Page, der sie zur Herzogin führte. Man gewährte ihr keine Atempause.
    Aimée hatte immer davon geträumt, in der Kirche von Andrieu zu heiraten. Am Arm ihres Onkels hatte sie zum Altar schreiten und von ihrer Großmutter zuvor gesegnet werden wollen. Auf all dies zu verzichten kam sie schwer an und trübte den Glanz der Zeremonie, die der Bischof von Cambrai zur Stunde des Sonnenunterganges zelebrierte.
    Nun war sie nicht länger Aimée von Andrieu, sondern Aimée, die Gemahlin des Ruben Cornelis. Die Eile, mit der die Hochzeit vollzogen wurde, verlieh den Ereignissen Unwirklichkeit. Die Zeremonie kam ihr wie ein Traum vor. Die Herzogin persönlich hatte die Feierlichkeiten organisiert. Herzog Philipp

Weitere Kostenlose Bücher