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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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Besitz betrachtete und sie zur Schau stellte.
    Zur Verabschiedung des Hofes aus Gent, die gleichzeitig auch den Zeitpunkt ihrer Abreise nach Brügge markierte, trug sie die Perlen.
    Herzog Philipp nahm sich die Freiheit, sie auf die Stirn zu küssen, ehe er zurücktrat und sie freigab.
    »Passt gut auf Eure Gemahlin auf, Ruben Cornelis. Ihre Schönheit wird nur von ihrem Scharfsinn übertroffen. Ihr habt eine Burgunderin mit den außerordentlichsten Eigenschaften an Eurer Seite. Zögert nicht, ihren Rat zu erfragen, wenn es nötig sein sollte.«
    Den Rat einer Frau. Die Frage stand so deutlich in Rubens Gesicht, dass der Herzog die Brauen hob und seine Stimme dämpfte.
    »Seht in diesem Falle ausnahmsweise weniger die Frau in ihr, mein Freund, als die Augen und Ohren Burgunds. Die Vergangenheit hat uns gelehrt, die flämischen Städte nicht zu unterschätzen. In Brügge begann schon einmal ein Aufstand, der Flandern und Frankreich zu entzweien drohte. Haltet mich auf dem Laufenden. Es wird keinen Verdacht erregen, wenn Eure burgundische Gemahlin regelmäßigen Kurierverkehr mit ihrer Heimat unterhält.«
    »Ihr könnt Euch auf mich verlassen«, entgegnete Ruben.
    Die Herzogin wandte sich inzwischen Aimée zu.
    »Gott schütze Euch«, sagte sie und umarmte sie herzlich. Ihr Blick streifte kurz das auffällige Perlenband. »Nehmt einen weiteren Rat zu meinem ersten hinzu: Achtet darauf, dass die Geschenke, die Euch ein verliebter Mann macht, auch tatsächlich in Eurem Besitz bleiben.«
    Sie sahen beide zu ihren Männern, die über einen gemeinsamen Scherz lachten. Sowohl in den dunklen Augen der Herzogin wie in den grünen Aimées lag nachdenklicher Ernst.

8. Kapitel
    B RÜGGE , 29. J UNI 1369
    Colard sortierte Urkunden und Rechnungen mit verbissener Gründlichkeit. Irgendwo in diesem Wust aus alten Abmachungen und vergessenen Geschäften gab es vielleicht eine Lösung für seine Probleme. Piet Cornelis hatte das Geschäft seinerzeit vom reinen Tuchhandel zu einem Handelshaus erweitert, das sich auf dem Warenplatz Brügge nicht mehr allein auf Wolle und Tuch beschränkte. Sicher hatte auch er von Zeit zu Zeit mit Krisen und Schwierigkeiten gekämpft. Vielleicht fand er beim Sichten seiner Unterlagen eine rettende Idee.
    Er war so in seine Arbeit vertieft, dass ihn weder das Geschrei der Fuhrknechte auf dem Hof noch das Poltern der schweren Fässer, die dort abgeladen wurden, in seiner Konzentration störte.
    »Die Harnische und Kettenhemden aus Mailand sind eingetroffen.« Joris riss die Tür zu Colards Kontor auf. »Wo soll das Zeug gelagert werden, im Speicher am Kanal?«
    »Keinesfalls.« Colard warf ein Schriftstück mit einem schweren braunen Siegel auf den Tisch. »In der Nacht steigt die Feuchtigkeit aus dem Kanal ins Mauerwerk. Wenn wir am Ende jede Metallöse vom Rost befreien müssen, frisst das die Hälfte unseres Gewinns auf. Lass alles zum Speicher zur Wollestraat bringen und schichtet die Fässer und Ballen auf trockenes Holz.«
    »Warum willst du die Rüstungen überhaupt so lange lagern?«, wunderte sich Joris. »Der Bedarf an Kriegsware ist groß zur Zeit. Wir könnten die Lieferung umgehend wieder losschlagen.«
    »Die Verdienstspanne bei Einzelteilen ist mir zu gering. Mit dem nächsten Handelszug aus dem Süden erwarte ich Schwertklingen aus Damaskus. Zusammen mit den Beinschienen, Halsbeugen und Panzerhandschuhen aus Köln können wir komplette Rüstungen zusammenstellen und wesentlich mehr verlangen.«
    »Du gehst ein Risiko ein. Wer eine Rüstung kauft, erwartet, dass sie aus der Hand eines Fachmannes stammt und nicht zusammengestückelt wurde.«
    »Ich habe einen guten Waffenschmied an der Hand, der alles in die richtige Form bringen wird«, wehrte Colard ab. »Mach dir keine Sorgen.«
    Der alte Schreiber kratzte sich unter seiner Kopfbedeckung. Er durchschaute die Idee hinter diesem Plan. Rüstungen aus Mailand und Brescia hatten den besten Ruf und erzielten Höchstpreise. Wenn der Waffenschmied die Mailänder Harnische und Kettenhemden mit den billigeren Waren aus Köln zu einer Einheit zusammenfasste, konnte man sie sehr wohl als ›Mailänder Qualität‹ verkaufen. Besonders in Zeiten, da Frankreich und England Krieg führten.
    »Es bleibt ein Wagnis«, beharrte er dennoch auf seinem Einwand. »Zu Zeiten deines Vaters hatten wir derlei Machenschaften nicht nötig.«
    Colards Gesicht rötete sich. Joris hatte den besten finanziellen Überblick, schon deswegen musste er wissen, dass ihm gar

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