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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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Schlaf.
    Die heisere Stimme weckte Aimée auf der Stelle. Sie spürte die Bewegung der Matratze auf den straff gespannten Seilen, die Anwesenheit eines anderen Menschen, der ihre bloße Haut berührte.
    Ihr Ehemann.
    Sie entzog sich vorsichtig dem Arm um ihre Taille und rückte zum Bettrand, ehe sie ihn ansah. Er massierte sich mit geröteten Augen die schmerzenden Schläfen.
    »Guten Morgen«, sagte sie teilnahmslos.
    »Was ist gut an einem Morgen, an dem mein Schädel brummt wie ein Hammerwerk?«
    »Vielleicht die Tatsache, dass es der erste Tag unserer Ehe ist.«
    Die Antwort riss Ruben aus seinem Selbstmitleid. Unrasiert und mit wirren Haaren zog er eine Grimasse und erwachte endgültig.
    »Es tut mir leid«, kam er möglichen Vorwürfen zuvor. »Ich wollte es dem Herzog gleichtun, aber ich vertrage diesen Wein aus dem Burgundischen wohl nicht so gut wie er. Ich hoffe, dass ich dir nicht allzu wehgetan habe. Es lag nicht in meiner Absicht.«
    Aimée wischte ein paar Rosenblätter vom Arm. Was sollte sie sagen? Dass es für sie eine Qual gewesen war. Dass sie sich die eheliche Liebe anders vorgestellt hatte. Zärtlicher. Romantischer.
    »Du musst mir verzeihen«, begann Ruben von neuem. »Ich werde es wiedergutmachen. Gleich wirst du mir dein Lächeln schenken.«
    Ehe Aimée begriff, was er im Sinn hatte, sprang er aus dem Bett und ging, nackt wie Adam im Paradies, zu einer Reisetruhe. Es dauerte, bis er das komplizierte Schloss entriegelt hatte, dann kam er mit einem Lederbeutel zurück. Er zog die Bänder auf und kippte seinen Inhalt in Aimées Schoß.
    »All das ist dein!«
    Sie starrte fassungslos auf ein Gewirr von Juwelen und Perlen. Ketten, Ringe und Broschen funkelten in allen Regenbogenfarben.
    »Das ist verrückt«, platzte sie heraus. »Was soll ich damit?«
    »Trag es. Es gehört dir. Es ist meine Morgengabe für dich. Du sollst sehen, dass ich dir mehr bieten kann als jeder Edelmann.«
    Aimée entdeckte eine Mantelfibel aus massivem Gold, deren verschlungene Windungen gallische Herkunft verrieten. Der Herzog hatte sie in Dijon an seinem Reitumhang getragen. Sie begriff.
    »Das sind die Juwelen, die der Herzog verpfändet hat, damit er keine Schulden in Gent hinterlässt.«
    »Jetzt sind es deine Juwelen.«
    Aimée griff nach dem Lederbeutel und tat den Schatz Stück für Stück wieder hinein.
    »Ruben, ich will keine Juwelen von dir, sondern deinen Respekt und deine Zuneigung.«
    »Wie bitte?« Enttäuscht nahm er ihr ein breites Band aus makellosen cremefarbenen Perlen aus der Hand. »Allein diese Halskette ist ein Vermögen wert.«
    Aimée zuckte zusammen, dann sagte sie sich, dass sie einen Kaufmann geheiratet hatte. Sie konnte ihm keinen Vorwurf machen, dass er die Wertmaßstäbe eines Handelsmannes und nicht die eines Ritters besaß. Sie mussten eine gemeinsame Ebene finden.
    »Du verstehst mich falsch, Ruben. Ich habe nicht ein Vermögen, sondern dich geheiratet. Ich bin dir gerne eine gute Frau. Ich will dich unterstützen, nicht dich ruinieren.«
    »Das könntest du auch gar nicht«, entgegnete er betont lässig. »Das Haus Cornelis überlebt alle Stürme. Und jetzt, nachdem ich ein Einvernehmen mit dem Herzog gefunden habe …«
    »Er geht nach Paris und wir nach Brügge«, warf Aimée ein.
    »Das hat nichts zu sagen, Liebste. Vertrau mir einfach. Willst du das tun?«
    Seine leidenschaftliche Überzeugung von den eigenen Fähigkeiten verfehlte ihre Wirkung auf Aimée nicht. Der Charme, den er sogar unrasiert und ungekämmt noch ausstrahlte in seiner Zuversicht, traf auf ihre Bereitschaft, das Beste aus dem künftigen gemeinsamen Leben zu machen. »Du hast mein Wort darauf.«
    Aimée meinte es ehrlich. Schließlich hatte sie ihm diesen Gehorsam vor dem Altar versprochen. Sie wollte die vergangene Nacht vergessen und alles tun, damit ihre Ehe ihnen beiden Glück brachte. Geprägt von den Erinnerungen ihrer Großmutter an ihre langjährige glückliche Ehe, strebte sie ehrgeizig das gleiche Ideal für Ruben und sich an.
    »Zeig mir deinen guten Willen, indem du die Juwelen für mich trägst. Jeder soll sehen, wie sehr ich dich liebe.«
    Aimée ließ sich überreden und brachte die Stimme ihrer Vernunft zum Schweigen, die ihr sagte, dass es sich um Pfandstücke handelte, die in den Besitz des Herzogs zurückfielen, wenn er seine Schuld bei Ruben beglich. Auch wenn bekannt war, dass der Herzog nur immer neue Anleihen aufnahm, um alte zu tilgen, war es nicht recht, dass man die Pfandstücke als

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