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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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verbarg. Sie fröstelte. Sie war sich sowohl der neugierigen Blicke ihres weiblichen Gefolges bewusst wie des Lärms, der unaufhaltsam näher kam.
    Der Klang von Pfeifen und Trommeln begleitete ein höchst zweideutiges Lied. Die Hochzeitsgäste gaben dem Bräutigam das Geleit, und es hörte sich an, als wäre ein Teil von ihnen bereits betrunken. Hoffentlich nicht auch Ruben!
    »Sie kommen. Schnell!«
    Bis die Tür aufging und seine Eminenz, der Bischof von Cambrai, eintrat, um das Ritual der Segnung des Alkovens zu vollziehen, hatten die Frauen einen schützenden Halbkreis um die Braut gebildet.
    Die Anstrengung, so spärlich bekleidet vor dem Hof das Gesicht zu wahren, verkrampfte Aimées Züge.
    Gerne hätte sie mit Ruben getauscht, der einen bodenlangen Hausmantel trug. Ihn starrte niemand so sensationslüstern an.
    »Zu Bett, meine Liebe!«
    Die Herzogin half ihr aus dem Hemd, damit sie, wie es die Sitte erforderte, nackt in das Brautbett steigen konnte. Glücklicherweise umringten die Frauen sie dabei dicht. Sie musste über ein zweistufiges Podest auf die hohe Matratze klettern. Blitzschnell verschwand sie unter den Laken. Mehr als einen Schimmer blasser Haut bekam niemand zu sehen.
    Ruben legte den Mantel gelassen ab und stieg ohne Hast, nackt, wie Gott ihn geschaffen hatte, ins Bett. Aimée sah aus den Augenwinkeln beeindruckende Schultern und eine blond behaarte Brust. Sie hörte das Raunen der Damen und versuchte sich auf den Bischof zu konzentrieren, der jetzt vor den Alkoven trat.
    Es war der Bischof von Cambrai und nicht der Kaplan von Andrieu, der geweihtes Wasser über die Decken sprühte und das Rauchgefäß schwenkte, aus dessen durchbrochenem Silberkegel dünne Weihrauchschwaden entstiegen. Er beschwor umständlich Gottes Segen, Fruchtbarkeit und leibliche Einheit, während er mit sehr weltlichem Interesse die nackten Schultern der Braut betrachtete.
    Die Herzogin kürzte die anschließenden Glückwünsche ab. Sie bedrängte ihren Gemahl, die Frischvermählten zu verlassen, und scheuchte die letzten Neugierigen mit ungeduldigen Worten aus dem Raum.
    Aimée schloss erschöpft die Augen.
    Ruben griff nach einer Strähne ihres offenen Haares und ließ sie durch die Finger gleiten. Sie spürte seine Nähe und roch den Wein, dem er reichlich zugesprochen hatte. Die vorher so ersehnte Stille bedrängte sie mit einem Male. Sie war allein mit ihm. Erregung, Panik, Neugier vermischten sich in ihr.
    »Wie schön du bist«, hörte sie Ruben mit seltsam belegter Stimme sagen. »Heute Morgen hätte ich es mir noch nicht mal träumen lassen, dich heute Abend in meinem Bett zu finden. Lass dich ansehen!«
    Aimée riss erschrocken die Lider auf, als er das Laken über ihrem Körper in einem Schwung zurückschlug. Ein Schauer lief über ihre bloße Haut.
    »Warte«, bat sie und fasste nach der Hand, die über ihre Schulter nach unten glitt und eine Brust umfing.
    »Keinen Augenblick länger.«
    »Aber wir müssen miteinander reden!«
    »Dafür haben wir noch ein Leben lang Zeit. Heute steht mir der Sinn nach etwas anderem.«
    Er erstickte Aimées nächste Worte mit einem gierigen Kuss. Während sie um Atem rang, drückte er sie mit seinem ganzen Gewicht in die Matratze. Der Duft der zerquetschten Rosenblätter mischte sich mit dem seines Schweißes und rief Übelkeit in ihr hervor. Aimée wollte sich nicht widersetzen, aber dass Ruben so wenig auf ihre Empfindungen achtete, stieß sie ab. Sie versuchte, ihn von sich zu schieben.
    »Beruhige dich, meine Liebe. Warum wehrst du dich? Du gehörst mir.«
    Aimée erstarrte. Ruben sprach die Wahrheit. Sie gehörte ihm. Der Wunsch des Herzogs und der Segen der Kirche hatten sie zu Rubens Besitz gemacht. Sie war nicht länger Herrin ihrer selbst.
    Der endgültige Vollzug der Ehe, der nur ihm Genuss verschaffte, trieb Aimée Tränen des Schmerzes und Zornes in die Augen. Ruben bemerkte es nicht. Er tätschelte zufrieden ihre Schulter, rollte sich zur Seite und begann auf der Stelle mit offenem Mund zu schnarchen. Weindunst überlagerte die schwere Rosenluft.
    Aimée lag mit offenen Augen neben ihm und starrte in den Betthimmel. Sie wollte nichts bereuen. Sie wollte weder den körperlichen noch den seelischen Schmerz fühlen. Sonst hätte sie sich der Tatsache stellen müssen, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
    Die Stundenkerze in der Nische neben dem Alkoven zählte Strich für Strich die Zeit ihres neuen Lebens. Erst im Morgengrauen sank sie in einen unruhigen

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