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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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Kerl dort?«
    »Ein Kranker, kümmert Euch nicht um ihn.«
    »Welche Krankheit? Doch nicht …«
    »Keine Seuche, beruhigt Euch. Ein Messerstich in den Rücken. Es ist fraglich, ob er es überlebt.«
    Domenico hörte die Männerstimmen. Er fragte sich, von wem sie wohl sprachen, ehe das Fieber jeden weiteren Gedanken auslöschte. Obwohl er immer öfter zu Bewusstsein kam, dauerten diese Phasen kaum länger als ein paar Atemzüge. Dann kehrte der Schmerz zurück und mit ihm die Ohnmacht. Nach und nach verbesserte sich jedoch sein Bewusstseinszustand. Er konnte die Augen öffnen, sich umsehen, Fragen stellen.
    »Wo bin ich?«
    »Dem heiligen Koloman sei Dank! Ihr lebt!«
    Er drehte den Kopf nach der Stimme und entdeckte eine dralle Magd in einem grauen Kittel. Die Haare verbarg sie unter einem nachlässig gebundenen Kopftuch. Ihr ländlicher Zungenschlag bereitete ihm Schwierigkeiten. Es bedurfte der mehrmaligen Wiederholung seiner Fragen, ehe er ihre Erklärung verstand.
    Man hatte ihn vor neun Tagen, am frühen Morgen, verletzt auf der Schwelle des Pferdestalls gefunden. Kaum ein Funken Leben sei in ihm noch gewesen. Jean-Paul von Andrieu hatte darauf bestanden, den Medicus holen zu lassen und nicht den Priester. Meister Calmette hatte ihn deshalb für verrückt erklärt.
    »Habt Ihr Euch wirklich mit den Söldnern angelegt?«, wollte die Magd wissen.
    Die Frage ordnete die Bilder in seinem Kopf. Er erinnerte sich der Begegnung mit Jean-Paul von Andrieu, seiner Gastfreundschaft und des Schlafplatzes, den er ihm verschafft hatte. Er hatte sich irgendwann nach Mitternacht erhoben, um die Diamanten zu verstecken, weil er keine Ruhe gefunden hatte. Von irgendwelchen Soldaten wusste er nichts.
    »Da waren keine Söldner.«
    »Aber ja. Sie haben in der Gaststube geschlafen und sind vor Sonnenaufgang aufgebrochen. Seid Ihr ihnen in die Quere gekommen, als sie Euer Pferd stehlen wollten? Meister Calmette vermutet, dass es so gewesen sein könnte, denn Euer Pferd ist verschwunden.«
    »Ich weiß nicht …«
    Die fremde Sprache, seine Schmerzen und der Versuch, sich genau zu erinnern, kosteten Domenico zu viel Kraft. Er schloss erschöpft wieder die Augen.
    »Trinkt«, sagte die Magd und stützte seinen Kopf, um ihm einen Becher an die Lippen halten zu können. »Der Medicus sagt, es ist wichtig, dass Ihr viel trinkt. Ihr habt eine Menge Blut verloren. Es war gar nicht leicht, Euch am Leben zu halten. Das könnt Ihr mir glauben.«
    Während Domenico gehorsam die Mischung aus Wein und Kräutern schluckte, versuchte er seine Lage zu bestimmen.
    Er lag auf einem Strohsack in der großen Gemeinschaftskammer unter dem Dachstuhl der Herberge. Man hatte sein Lager in eine Ecke geschoben, damit er den anderen nicht im Weg war.
    »Wo sind meine Sachen?«
    Die mitleidige Miene der Magd verriet ihm bereits die Antwort.
    »Alles gestohlen. Die Mörder haben ihre Chance genutzt. Meister Calmette hat Anzeige beim Profoss von Lille erstattet, aber da es keine Zeugen für den Mordanschlag und den Diebstahl gibt und Ihr auch keine Aussage machen konntet, kam nicht viel dabei heraus«, teilte die Magd ihm in dürren Worten mit.
    Domenico versuchte sich aufzurichten, aber seine rechte Schulter schmerzte zu stark.
    »Vor neun Tagen ist das passiert, sagst du? Und wo ist der Mann, in dessen Kammer ich geschlafen habe?«
    »Längst fort.« Die Magd erhob sich von den Knien, als er seinen Becher leer getrunken hatte. »Er hat Meister Calmette dafür bezahlt, dass er sich um Euch kümmert. Der Medicus hat dringend davon abgeraten, Euch zu transportieren. Er sagte, Euer Leben hinge an einem seidenen Faden, und nur wenn Ihr das Wundfieber überlebtet, sähe er eine Chance für Euch. Eure Genesung grenzt an ein Wunder. Ich hätte keine Kupfermünze für Euch gegeben. Ihr müsst Euch jetzt ausruhen. Gegen Abend komme ich wieder und bringe Euch zu essen.«
    Sie polterte mit ihren Holzschuhen die Stiege hinab und ließ ihn mit seinen Gedanken alleine.
    Die Diamanten.
    Jean-Paul von Andrieu reiste ahnungslos mit den Diamanten des Dogen von Venedig durch Flandern! Das vermeintlich so kluge Versteck hatte zwar seine Verfolger getäuscht, aber damit womöglich seinen Onkel um ein Vermögen gebracht. Sein Onkel durfte nie davon erfahren. Er musste dem Mann unverzüglich folgen.
    Sosehr es ihn danach drängte, den durchgelegenen Strohsack zu verlassen, seine Verletzung zwang ihn, zu warten. Weitere Tage vergingen, bis er sich endlich erheben konnte.
    In der

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