Die Stunde des Venezianers
von Dijon kommen?« Aubert beugte sich besorgt vor. In einer belagerten Stadt würden keine Geschäfte gemacht.
»Unser Herzog fürchtet nichts und niemanden.«
Wenn es nicht um Geld ging, war der Schatzmeister ganz Bewunderer seines Herrn. »Wisst Ihr nicht, dass man ihn Philipp den Kühnen nennt?«
»Erwartet Ihr ihn zum Weihnachtsfest in der Stadt?«
»Wir wissen nicht, wie die Pläne Seiner Gnaden aussehen. Auch die Herzogin lässt er im Ungewissen. Wir hören indes, dass er mit seinen königlichen Brüdern, Ludwig von Anjou und Johann von Berry, nicht von der Seite Connétable du Guesclins weicht. Sie wollen einen Sieg für das Lilienbanner erzwingen, und die Zeichen stehen günstig. Immerhin haben sie erst vor wenigen Wochen das Herzogtum Aquitanien wieder in den Besitz der französischen Krone gebracht.«
Ehe sie die Möglichkeiten eines Sieges weiter debattieren konnten, schallten Fanfarenklänge durch den nahen Burghof. Der Schatzmeister erkannte das Signal.
»Der Herzog ist zurück. Dem Himmel sei Dank.« Domenico Contarini reagierte blitzschnell. Er griff nach den unterzeichneten Dokumenten, erhob sich und kaschierte seine Eile in Richtung Tür geschickt mit einer höflichen Verneigung und der Formel: »Ihr habt jetzt sicher Wichtigeres zu tun, als mit uns zu plaudern. Gestattet, dass wir uns verabschieden, damit Ihr dem Herzog zu Diensten sein könnt.«
Er zog Aubert mit sich, ehe der Schatzmeister den hastigen Aufbruch verzögern konnte.
»Ein paar Augenblicke länger, und es wäre ihm womöglich eingefallen, dass er unseren Wechsel doch lieber erst seinem Herrn vorlegen will«, sprach Aubert aus, was Domenico befürchtet hatte, während sie sich ihren Weg durch die Menschenmenge suchten, die sich im Innenhof lärmend und jubelnd um den ankommenden Herzog scharte.
»Vielleicht kommt er ja nicht mit leeren Händen nach Hause«, antwortete Contarini. »Aquitanien ist eine der reichsten Provinzen Frankreichs. Ich würde darauf wetten, dass die Söldner des Konnetabels die Gelegenheit zum Plündern genutzt haben und wertvolle Schätze für ihn im Angebot hatten.«
»Selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, wird die Beute nicht die Probleme des Schatzmeisters lösen. Herzog Philipps Begehrlichkeit richtet sich auf Gemälde, Skulpturen, Wandteppiche und seltene Bücher. Goldstücke sind ihm zu profan und nur Mittel zum Zweck. Allenfalls reizen ihn Edelsteine.«
Domenico dachte an diese Worte, als er die Einladung erhielt, am großen Festmahl teilzunehmen, das Herzogin Margarete gab, um die Heimkehr des Herzogs zu feiern. Was trug ihm die Ehre dieser Einladung ein? Sah ihn jemand als nützliches Mittel zum Zweck?
Er war der Einladung selbstverständlich gefolgt, und als er die Nähe des Feuers suchte, das im mannshohen Kamin der großen Halle brannte, löste sich das Rätsel.
»Wenigstens hier bekomme ich Euch wieder zu sehen, Messer Contarini.«
»Madame Cornelis.«
Er entbot ihr einen zuvorkommenden Gruß. Aimée trug Schwarz. Der schimmernde Samt aus Florenz betonte ihre helle Haut.
»Habe ich Euch die Ehre dieser unerwarteten Einladung zu verdanken?«
»Es schien mir keine andere Möglichkeit zu geben, zu einem Gespräch mit Euch zu kommen.«
»Womit kann ich Euch dienen? Der Kauf ist abgeschlossen, die Summe Eurem Konto gutgeschrieben. Colard de Fine ist informiert.«
»Ich wollte es gerne von Euch selbst hören.«
»Verzeiht, dass mich meine Geschäfte davon abgehalten haben«, erwiderte er höflich. »Ich nahm an, ich hätte meine Pflicht getan.«
»Ihr denkt, ich müsse in Dijon nicht beschützt werden?«
»Das kommt darauf an, wie Ihr zu den Aufmerksamkeiten des Herzogs steht«, sagte er mit einer Spur Herausforderung in der Stimme. »Seine Gnaden lässt Euch nicht aus den Augen.«
Sie tat die Worte mit einer Geste ab. Sie wollte nicht über die Wünsche des Herzogs reden, sondern über ihre eigenen.
»Er wird von der Herzogin gehört haben, dass ich seine Schatulle um eine ungeheure Summe erleichtert habe. Sicher fragt er sich, was ich von Ruben alles gelernt habe.«
»Ihr musstet nichts lernen. Ihr habt reineres Kaufmannsblut in Euren Adern als Ruben. Ihr seid eine Handelsherrin, und der Hof liegt Euch zu Füßen.«
Verärgerung blitzte in Aimées grünen Augen auf.
»Ihr glaubt, ich setze die Freundschaft zur Herzogin aufs Spiel. Ihr habt meinen Plan gutgeheißen, weil Ihr wisst, dass es mir um das Haus Cornelis geht, und darum, mein Erbe zu verteidigen.«
»Euer
Weitere Kostenlose Bücher