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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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berechnet?«
    »Es waren keine Wucherzinsen, wie Ihr mir vielleicht unterstellt. Aber dass die Zinsen von Schuldschein zu Schuldschein steigen, ist Usus im Geschäft mit den Banken.« Aimée sah zu Colard. Er sah so schuldbewusst aus, dass sie ihre Frage verschluckte. Welchen Sinn hatte es jetzt noch, ihm Vorwürfe zu machen.
    »Dann gehört Euch alles. Das Haus. Die Speicher. Die Grundstücke«, zählte sie tonlos auf.
    »So ist es.«
    Aimée schluckte. Es war weniger der Gedanke an absolute Armut, der sie in Panik versetzte, als die Erkenntnis, dass das Handelshaus, das Erbe ihrer Großmutter, ihr nicht mehr gehören sollte. Das konnte, das durfte nicht sein. Sie hatte geschworen, es zu neuen Höhen zu führen, es zu verlieren kam nicht in Frage. Sie musste einen Ausweg finden. Hinter ihrer Stirn überstürzten sich die Gedanken.
    »Mein Geschäft mit der Herzogin war demnach allein Euer Gewinn. Deshalb habt Ihr Euch zu meinem Beschützer auf dieser Reise gemacht«, warf sie ihm vor. Sie verspürte Enttäuschung, obwohl sie ihm keinen Vorwurf machen konnte. »Und Ihr werdet noch mehr daran verdienen, wenn Ihr das Perlenhalsband verkauft, an dem sie so hängt. Sie ist bereit, jeden Preis dafür zu bezahlen.«
    »Meinen Gewinn zu machen war nicht der alleinige Grund meiner Reise«, antwortete Domenico ruhig. »Aber ich würde lügen, wenn ich sagte, dass mir die zusätzlichen Einkünfte missfallen.«
    Für den Bruchteil eines Augenblickes wollte Aimée resignieren. Sie gab dem nicht nach.
    »Hört mich an«, sagte sie. »Ihr kennt meine Pläne. Ich habe Euch beim Festmahl der Herzogin eingeweiht. Meine Bitte an Euch ist, räumt mir die Möglichkeit ein, diese Pläne zu verwirklichen. Ich bin sicher, dass ich in wenigen Jahren imstande sein werde, die Schulden bei Euch zu begleichen. Mit Zins und Zinseszins.«
    »Das ist Wahnsinn!«, mischte Colard sich zum ersten Mal ein. »Wie willst du das verwirklichen? Wir befinden uns im Krieg mit England. Der Tuchhandel bringt immer weniger Gewinn, und die allgemeinen Handelsbedingungen lassen mit solchen Geschäften keine Gewinne in dieser Größenordnung zu. Du schiebst das Ende nur hinaus.«
    »Ich muss es versuchen«, antwortete Aimée beherrscht. »Was sollte ich sonst tun?«
    »Warum bleibst du nicht in Dijon bei der Herzogin? Sie hat es dir angeboten, und du wirst unter ihrem Schutz ein viel sorgloseres Leben führen können.« Colard zögerte und verbarg sich hinter einer Halbwahrheit. »So gerne ich dich in Brügge sehen würde, auf dich warten dort nur unlösbare Aufgaben.«
    »Das Leben einer Hofdame ist nicht das meine«, erwiderte Aimée knapp.
    »Dann geht nach Andrieu.« Auch Domenico Contarini bot ihr diesen Ausweg an. »Euer Onkel wird Euch mit offenen Armen empfangen. Das Erbe Eures Vaters wartet dort auf Euch.«
    »Ich weiß selbst, was für mich gut ist. Ihr braucht keine weitere Fürsorge zu übernehmen.«
    »Das müsst Ihr mir nicht sagen. Ich habe es Eurem Onkel bereits mitgeteilt. Meine Abreise steht unmittelbar bevor.«
    »Ihr reist bereits nach Brügge?«
    Aimées Frage ließ ihn zögern. Etwas in ihrer Stimme, obwohl sie kühl und geschäftsmäßig klang, sagte ihm, dass ihr seine Antwort missfallen würde. Allein, seine Entscheidung stand fest, auch wenn die ungewöhnlichsten grünen Augen ihn ansahen.
    »Nein. Ich verlasse Brügge. Mein Ziel ist Venedig. Ich werde zu Hause erwartet. Mein Onkel, der Doge, hat dort alle Vorbereitungen für meine Vermählung getroffen.«
    Er wollte heiraten.
    Aimée zwang sich, etwas zu sagen.
    »Meinen Glückwunsch, Messer Contarini. Ich wusste nicht, dass Ihr versprochen seid.«
    »Das Verlöbnis besteht seit vielen Jahren. Catarina Foscari, meine Braut, stammt aus einer der ersten Familien Venedigs. Die Verbindung der Contarinis mit den Foscaris ist sowohl politisch wie wirtschaftlich von höchster Bedeutung. Meine Jahre in Brügge waren unter anderem eine Wartezeit – bis meine Braut ihr sechzehntes Lebensjahr vollendet haben würde.«
    »Und was geschieht mit dem Bankhaus Contarini in Brügge?«, warf Colard ein.
    »Abraham ben Salomon wird es für mich leiten.«
    »Das ist gut.« Aimée konzentrierte sich ganz auf ihre geschäftlichen Pläne. »Wenn Ihr nicht in Brügge seid und er Eure Interessen vertritt, wird ihm daran gelegen sein, dass die Geschäfte des Hauses Cornelis mit Einfallsreichtum geführt werden. Ich verpflichte mich, Abraham ben Salomon zum Dreikönigstag eines jeden Jahres die Summe des

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