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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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Lauf, aus dem Halfter. Xanos sagte etwas in seiner Muttersprache und zeigte mit dem Finger auf den Gorilla, der versuchte, aus dem Schott zu kriechen. De Haan und Cornelius hinderten ihn daran, dann holte sich Cornelius ein Stück Leine vom Signalflaggenmast, und De Haan band ihm Hände und Füße, bevor er ihm die Signalflagge um den Kopf wickelte und hinten verschnürte. »Sobald du dich rührst, werfen wir dich über Bord. Verstanden?«
    »Ja«, sagte der Mann dumpf unter der Flagge hervor.
    De Haan steckte die Pistole in die Tasche, hob dann das Maschinengewehr auf und reichte es Scheldt, der es auf dem Schaft neben das Ruder stellte. De Haan musste der Versuchung widerstehen, die Gefangenen in der Messe zu befreien, aber das Risiko wäre zu hoch gewesen. Bis jetzt waren keine Schüsse gefallen, und so war der Signalgast im Funkraum nicht alarmiert. Der Funkkontakt zwischen der Noordendam und der M 56 war folglich das nächste Problem, das es zu lösen galt. Und irgendwann würden sie sich um das Patrouillenboot selbst kümmern müssen, mit List oder Gewalt. Entern? Rammen? Irgendwie, dachte er bei sich. »Bleiben Sie genau auf eins neun null«, sagte er zu Scheldt. »Der Gefangene sowie die Brücke unterstehen Ihnen und Xanos. Sollte irgendein Deutscher hier auftauchen, können Sie also von der Waffe da Gebrauch machen. Werfen Sie besser mal einen Blick darauf.«
    Indem er Cornelius Zeichen machte mitzukommen, verließ De Haan die Brücke auf der Backbordnock – der von der M 56 aus nicht einzusehenden Seite. Leise schlichen sie sich das Deck entlang bis zum Schott des Funkraums. Es war zu. Abgeschlossen? Das käme auf einen Versuch an. Doch falls er auf den Mann drinnen schießen musste, wäre auch die Wache in der Offiziersmesse gewarnt. De Haan nahm die Pistole aus der Tasche und sah sie sich genauer an. J. P. SAUER & SOHN, SUHL, war in den Lauf eingestanzt und dann KAL. 7,65. Sie wurde per Daumenhebel gesichert. Er drückte den Hebel hoch, um sie zu entriegeln, und fand einen Haken hinter dem Abzug. Wozu diente der? Er wusste es nicht. Das Ding hier funktionierte nicht wie seine Browning, doch er nahm an, dass die Waffe, einmal entsichert, einen Schuss abfeuern würde, sobald er den Abzug betätigte. Er nahm das Magazin heraus, zählte acht Schuss im Ladestreifen und schob es wieder zurück. »Bleiben Sie hinter mir«, sagte er zu Cornelius.
    De Haan trat ans Schott, lauschte und drückte das Ohr an die Eisenfläche. Still. Er legte zwei Finger an den Metallhebel, der als Türknauf diente, packte die Automatik fest mit der Rechten und hielt den Lauf nach oben. Langsam übte er Druck auf den Hebel aus. Er gab nach. Dann holte er tief Luft, drückte den Griff energisch nach unten, zielte mit der Pistole ins Innere des Raums und warf das Schott weit auf.
    Der Signalgast saß zurückgelehnt in Mr. Alis Drehstuhl, die Füße auf der Arbeitsplatte, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er hatte an die Decke gestarrt, vielleicht auch gedöst, doch jetzt war er wach. Mit geweiteten Augen starrte er auf die Automatik, die auf seine Brust gerichtet war, versuchte dann, als der Stuhl einen Moment lang prekär auf einem einzigen rückwärtigen Rädchen hing, sich aufrecht hinzusetzen, und hob, als der Sessel durch sein Beinestrampeln wieder gerade stand, die Hände in die Höhe. »Ich ergebe mich, verstehen Sie? Ergeben.« Er fuchtelte mit den Händen, damit De Haan sie sah.
    »Haben Sie Ihr Schiff gerufen?«
    »Nein. Ich hab nur hier gesessen. Bitte.«
    »Haben die sich bei Ihnen gemeldet?«
    »Vor einer Stunde. Ich hab geantwortet, damit sie wussten, dass ich sie empfange, das war alles.«
    »Wie lautet ihre Kennung?«
    »Sieben-acht-Null, fünf-fünf-sechs. Bei sechs, neun Megahertz.«
    De Haan sah ihn sich genauer an. Gerade mal Anfang zwanzig, jemand, der von der Marine eingezogen und nun in den Krieg verwickelt worden war, dann aber mit Glück oder Grips auf einen Minenräumer kam, der vor der dänischen Küste patrouillierte – M 56, der Schrecken der Heringsfänger.
    De Haan überprüfte das Funkgerät, fand nichts, was sein Interesse geweckt hätte, und führte den Signalgast zur Brücke hinauf. »Das macht dann zwei«, sagte Scheldt, und fügte bei einem Blick auf Schumpels Leiche hinzu: »Ich meine, drei.« De Haan setzte den Signalgast neben dem anderen Gefangenen ab und band ihm Hände und Füße. »Ich geh zur Messe«, informierte er Scheldt.
    »Lassen Sie mich mitkommen, Herr Kaptän. Mit dem

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