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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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weiterging – das grüne Leuchten der Lampe im Kompasshäuschen, der Steuermann am Ruder, der Messejunge, der den Kaffee brachte.
    Allerdings nicht im Alltagsgeschirr. Jetzt, wo sie Gäste hatten, schleppte Cornelius eine ganze Kanne an, auch wenn er sich treu blieb und den Deckel vergessen hatte, so dass der Kaffee in der feuchten Luft dampfte. Zumindest aber zur Abwechslung einmal heißen Kaffee. Und Cornelius kam nicht allein, sondern brachte Xanos, den griechischen blinden Passagier aus Kreta mit, den armen kleinen Mann, der in einer schmuddeligen weißen Stewardjacke steckte, ein Tablett mit Tassen und Untertassen trug und angesichts dieser neuen Tätigkeit so nervös war, dass seine Hände zitterten und das Porzellan klirrte.
    Schumpel war hocherfreut. »Ah, Sie sind hier ja zivilisierter, als ich gedacht hatte.«
    »Kaffee, mein Herr?«, fragte Xanos. Für diese wichtige Gelegenheit hatte ihm jemand den deutschen Wortlaut beigebracht.
    »Ja, danke, ich nehme eine Tasse.«
    Xanos hielt ihm das Tablett entgegen, Schumpel nahm eine Tasse und eine Untertasse, und Cornelius schenkte ihm Kaffee ein. Der Duft war stark und köstlich auf der dampfenden Brücke. Schumpel wandte sich an De Haan und sagte: »Trinken Sie auch eine?«
    De Haan bejahte, doch Xanos' Nerven spielten ihm zu sehr mit: Das Tablett glitt ihm aus den Händen, und das Geschirr fiel klappernd zu Boden. Ein verblüffender Vorfall für Schumpel, sehr verblüffend, denn er sagte: »Ha!«, als hätte ihm jemand auf den Rücken geschlagen, und er warf seine Tasse und Untertasse in die Luft, so dass ihm der Kaffee übers weiße Oberhemd spritzte. Doch das Hemd war ihm nicht so wichtig, denn er wandte den Kopf und sah über die Schulter und atmete mit zusammengebissenen Zähnen tief ein, während er, die Augen in panischem Schrecken geweitet, den Kopf in die andere Richtung drehte. Xanos trat hinter ihn und machte etwas mit seiner Hand, dann sagte Schumpel: »Ach«, sank auf die Knie, neigte sich langsam nach vorn und prallte dumpf mit der Stirn aufs Deck.
    Auf der anderen Seite der Brücke schrie der Gorilla, und De Haan drehte sich zu ihm um. Mit dampfendem Kopf jaulte er auf und drückte die freie Hand an die Augen, während Cornelius die leere Kaffeekanne mit der Öffnung nach unten am Finger baumeln ließ und dem Gorilla stumm entgegenstarrte. Dann schwang das Maschinengewehr auf ihn zu, so dass er die Kanne fallen ließ und den Lauf mit beiden Händen packte und ums Verrecken nicht mehr losließ, während er herumgewirbelt wurde und mit den Schuhsohlen übers Deck schlitterte. Die beiden drehten sich zweimal im Kreis, bevor De Haan und Scheldt bei ihm waren. De Haan holte schon mit der Faust aus, doch Scheldt schubste ihn beiseite und nahm die Sache mit drei, vier lauten Knochenhieben selbst in die Hand. Der letzte zeigte Wirkung, und während Cornelius, das Gewehr fest in die Brust gestemmt, nach hinten fiel, murmelte der Gorilla nur: »Lass mich« und ging zu Boden. Scheldt stand über ihm und schüttelte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand aus. »Entschuldigen Sie, Herr Kaptän«, sagte er.
    »Schnell ans Ruder«, sagte De Haan. Falls sie vom Kurs abkamen, würde der Kapitän auf der M 56 wissen, dass etwas schiefgegangen war. De Haan ging zu Schumpel hinüber, der, die Stirn auf dem Boden, immer noch in derselben Stellung kniete, während ihm ein Messergriff zwischen den Schulterblättern steckte. Ein Küchenmesser? Nein, De Haan sah, dass das Heft mit Klebeband umwickelt war, eine tödliche Waffe. »Danke, Xanos«, sagte De Haan. »Ihnen auch, Cornelius.«
    »Es war dieser kleine Passagier«, sagte Cornelius.
    »Wo ist er?«
    »In der Kombüse. Schält Kartoffeln. Schon seit Stunden, Pfund um Pfund.«
    »Wo sind die anderen Deutschen, Cornelius, wissen Sie das?«
    Cornelius' Gesicht verspannte sich vor Konzentration, und er leckte sich über die Lippen. »Wenn der Plan funktionierte, sollte ich Ihnen sagen, dass sie einen im Funkraum haben.« Er dachte einen Moment lang nach und sagte dann: »Einen Signalgast – das soll ich Ihnen von ihm ausrichten. Und ich weiß, dass zwei von ihnen im Mannschaftsquartier sind.«
    Und einer in der Messe und mit Sicherheit zwei im Maschinenraum. De Haan blickte nach achtern. Draußen in der Dunkelheit tanzten die Lichter der M 56 im Wellengang auf und ab und hielten vor ihrem Steuerbord achtern Position. De Haan kniete neben Schumpels Leiche und zog die Pistole, eine schwere Automatik mit kurzem

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