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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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seufzte und drückte die Zigarette in einem Aschenbecher auf dem Nachttisch aus.
    Es war still im Raum, die Brandung an der Mauer der Corniche drang nur von ferne herüber. Sie legte sich aufs Kissen zurück und hob die Hacken.
    – Herein in die gute Stabe. De Haan rutschte im Bett weiter hoch, bis er ihr ganz nahe war. Von hier aus hatte er eine bessere Aussicht, eine Aussicht, die ihn mehr und mehr gefangen nahm, während die Zeit verstrich. So, noch ein bisschen näher.
    » Yassou «, sagte sie.
    Was? Egal, er konnte nicht antworten.
    Behutsam strich sie mit den Fingern durch das Haar an seinem Hinterkopf. »Du liebe Güte« – es sollte unbekümmert klingen, doch bei den Worten »da auch« stockte ihr der Atem.
    Er starrte zu dem Deckenmedaillon empor, während sie, ein schweres Bein über seins geworfen, neben ihm schnarchte. Nymphen da oben, zwei, drei – fünf! Sollte er das Licht ausmachen? Nein, manche Leute wachten davon auf. Und es genügte ihm, still zu liegen, angenehm wund und matt, und ein wenig benommen, wie von einer Krankheit geheilt, von der er bis dahin nicht wusste, dass er sie hatte. Petit mort , hatte sie gesagt, ein höflicher französischer Euphemismus dafür. Tja, nun ja. Als sie vor ein paar Tagen von Cap Bon wegdampften, war er dem grand mort , alles andere als höflich, sehr nahe gekommen.
    Kurs nach Norden, zum britischen Marinestützpunkt in Alexandria, über tausend Seemeilen nach Osten, vier Tage, günstigstenfalls, in deren Verlauf sie aus der Luftbeschattung der Achsenmächte in die der Royal Air Force fahren würden, und somit waren die ersten achtundvierzig Stunden am gefährlichsten. Doch bereits eine Stunde nach Tagesanbruch, als er schon zu hoffen wagte, sie hätten es möglicherweise geschafft, ließen die Franzosen sich blicken. Spät, aber mit Elan. Ein Patrouillenboot, schlank und aus Stahl, mit einer ansehnlichen Bugwelle, die aller Welt zeigte, wie schnell sie waren.
    Fern jedweder Hilfe, taten sie, was sie konnten. Der Lieutenant wies Mr. Ali an, eine Kombination chiffrierter Zahlen zu funken, während die Kommandos, mit zwei Brens und einem Scharfschützengewehr, direkt unter Deck auf ihren Einsatz warteten. Vergebliche Hoffnung, das wusste De Haan, so lief eine Seeschlacht einfach nicht. Amado wurde, stocknüchtern und halb tot vor Angst, bereitgehalten, doch die Franzosen waren nicht in der Stimmung, sich vertrösten zu lassen. Kaum waren sie achtern an die Noordendam herangekommen, hissten sie die Signalflagge SN – was nach dem internationalen Code ›Sofort anhalten‹ bedeutete. »Nichts versenken. Keine Boote zu Wasser lassen. Nicht funken. Bei Missachtung wird das Feuer eröffnet.«
    Nun ja, das war deutlich. »Ignoriert sie«, wies er die Wachen an.
    Die Maschinen blieben auf Voll – Voraus, während die Ausgucke den Horizont vor ihnen absuchten. Natürlich würde ein solch widerspenstiges Benehmen nicht ernst genommen. Ein Knurren aus dem französischen Megafon, dreißig Sekunden, um dem Befehl nachzukommen, dann das langsame, an- und abschwellende Trommeln eines Maschinengewehrs und ein Leuchtspurgeschoss, das dreißig Zentimeter über der Brücke einen eleganten Bogen beschrieb. Ça va?
    Das Patrouillenboot, das vor Antennen, Kanonen am Vorderdeck und paarweisen Maschinengewehren nur so strotzte, schloss langsam zur Noordendam auf. »Backbord, Herr Kaptän.« Die Wache klang verwirrt. »Auf zehn Uhr. Eine Art … es ist ein Wasserflugzeug.«
    De Haan sah durch sein Fernglas. Es war groß und plump am grauen Himmel, mit einer Kanzel, die unter breiten Tragflächen mit dicken Pontons hing, und das Heulen seiner Maschine übertönte das tiefe Dröhnen des Frachters. Freund oder Feind? Ein Vollmatrose kam den Niedergang zur Brücke hochgerannt. »Der Lieutenant will das Feuer eröffnen.«
    »Sagen Sie ihm, noch nicht.«
    Der Matrose war noch nicht weg, als das Patrouillenboot auf volle Kraft ging. De Haan schaute sich um und sah nur noch, wie es eine so schnelle Kehrtwende machte, dass es krängte, und in einem weiten Bogen eindeutig die Flucht ergriff. Wovor? Nicht vor einem französischen Flugzeug, sondern einer britischen Sea Otter, einem hässlichen Arbeitstier, jedoch mit .303 Maschinengewehren bewaffnet und ein mehr als ebenbürtiger Gegner für das Patrouillenboot, von dem jetzt in der Ferne nur noch das weiße Kielwasser zu sehen war. Die Sea Otter verzichtete auf die Verfolgung – der Beschuss eines Patrouillenboots hätte nur Kampfflugzeuge

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