Die Stunde des Wolfs
Gewirr aus Kupferdrähten herunterhing, sowie zwei konkave Scheiben – Parabolspiegel mit zerbrochenem Glas –, annähernd einen Meter breit. Bolometer, dachte De Haan.
»Wie's aussieht, haben Sie das gekriegt, weswegen Sie hergekommen sind«, sagte er.
Der Lieutenant nickte. »Und einen Jerry. Techniker, seinen Abzeichen nach.« De Haan konnte so eben am Ärmel des Mannes das Zahnrad erkennen, das Abzeichen eines deutschen Pioniers. »Also ein guter Angriff, falls wir es zurück schaffen. Hätte natürlich ein bisschen glatter laufen können, aber sie hatten ein paar Beschützer, französische Offiziere und tunesische Truppen, und sie mussten unbedingt kämpfen. Hat nicht lang gedauert, aber …« Am Himmel entferntes Jaulen, und alle Männer sahen hoch, als es lauter wurde, dann in der Ferne verhallte.
»Der Mistkerl kommt zurück«, sagte einer der Männer.
»Er weiß, dass wir hier unten sind«, erwiderte der Lieutenant. »Wir haben ihre Telefonkabel gekappt, aber wir haben das Funkgerät nicht erwischt, jedenfalls nicht gleich. Und einer der Offiziere hat ein paar Leuchtraketen abgeschossen.«
»Das war das Letzte, was er getan hat«, sagte der Sergeant.
»Wir wissen nicht, wem die Signale galten«, erklärte der Lieutenant, »aber wir sind beim Rückzug unter den Beschuss einer zweiten Einheit geraten. Sie sind also irgendwo da draußen.«
De Haan sah auf die Uhr. Vielleicht noch eine Stunde bis zum Morgengrauen, dachte er. Indem er sich auf seine Sten wie auf einen Gehstock stützte, rappelte sich der Lieutenant hoch. De Haan und seine Crew übernahmen einen Teil der erbeuteten Apparatur, De Haan gleich zwei der Metallgehäuse. Eins davon war in der Mitte zerschlagen, als ob es jemand mit einem Gewehrschaft traktiert hätte, und an den Anzeigen war das Glas zerbrochen. Über den Bedienungselementen befand sich eine Messingtafel mit einem Warenzeichen, Zeiss, und darunter die Aufschrift Wärmepeilgerät 60.
Der Treck zurück zum Strand kam nur mühsam voran; der Lieutenant und einer seiner Männer brauchten Hilfe beim Gehen, und De Haan, der fast an der Spitze der Kolonne lief, sah mehr als einmal auf die Uhr. Die Zauberkästen waren zuerst leicht, schienen aber mit der Zeit immer schwerer zu werden, während der Wind gegen Tagesanbruch immer heftiger blies, so dass ihm Hände und Füße steif froren und ihm die Kälte immer tiefer in die Knochen kroch. Als sie das Flugzeug hörten, hob der Sergeant, der als Späher dem Trupp voranging, die Hand, und sie blieben stehen, bis es vorüber war. Würde der Pilot die abgedunkelte Noordendam vor der Küste sehen? De Haan gelang es nicht, sich das Gegenteil einzureden. Doch bis jetzt keine Explosionen aus dieser Richtung. Das würde bestimmt bei Tagesanbruch folgen, wenn die richtigen Kampfflieger sich auf die Jagd begaben.
Abgesehen von den gelegentlichen Flüchen, wenn einer der Männer stolperte, verlief der Marsch in völligem Schweigen. Sie brauchten endlos, um die Schlucht zu durchqueren, wo ihnen das Wasser bis zu den Knien stand. An einem Punkt fanden sie sich, nachdem sie ein Kliff umkreist hatten, in einem seltsamen Korridor zwischen Sandsteinwänden wieder, und der Sergeant ließ sie umkehren.
De Haan behielt ihn im Auge, etwa fünfzehn Meter vor ihm, als einer der Männer, der beim Kehrtmachen den falschen Weg genommen haben musste, zwischen sie trat. Ein Mann, den er, wenn er sich recht besann, in all den Tagen auf dem Schiff nicht bemerkt hatte, was an sich schon merkwürdig war, da er in seinem extravaganten Habitus nicht leicht zu übersehen war. Doch Kommandos waren schließlich eine besondere Sorte Mensch. Dieser hier trug einen vollen Bart, hatte hinten an sein Käppi ein Tuch gebunden und ein langes Gewehr über die Schulter gehängt. Der Mann blickte auf, sah De Haan, und einen Augenblick lang starrten sie einander an.
Plötzlich von hinten ein lautes Flüstern, »Runter, verdammter Käsefresser.« Was? Ein Spitzname für Holländer, demnach musste er gemeint sein. Er wollte sich gerade umdrehen, zuckte aber zurück, als eine Sten losging und etwas an seinem Ohr vorbeizischte. Jetzt ging er zu Boden und fummelte unter seiner Ölhaut nach der Browning. Jemand anders feuerte, als De Haan herumwirbelte und nach dem Bärtigen Ausschau hielt, der jedoch spurlos verschwunden war. Käppi, Französische Fremdenlegion. Es gelang ihm, die Pistole freizubekommen, und er bediente den Schieber am Lauf, um durchzuladen, als mehrere Männer an ihm
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